Deathbook (German Edition)
sich die Schlinge fest um ihren Hals, drückte den Kehlkopf nach innen und schnürte ihr die Luft ab. Die Augen quollen aus den Höhlen, an der Stirn traten die Adern hervor.
Durch den Knebel aus Paketband waren dumpfe Hilfeschreie zu hören.
Dann war der Eisblock zu klein.
Die Zehen fanden keinen Halt mehr, wie lang das Mädchen sich auch streckte. Der immense Druck an ihrem Hals ließ nicht mehr nach, kein Quäntchen Sauerstoff floss mehr in ihre Lunge.
Eine Weile zappelte sie noch. Die Zehen tasteten in der Luft umher auf der Suche nach Halt.
Dann wurde es still.
Der Eisblock aber schmolz weiter und schickte sein Wasser auf die Reise. Vermischt mit dem Urin und Schweiß des Mädchens, füllte es den See, den Hauptstrom und die kleinen Verästelungen.
Alle Hoffnung und alles Leben sickerten in einen verrosteten Gully.
I n meinem ganzen Leben hatte ich noch nie eine so immense Wut in mir gespürt. Diese Wut zog den Brustkorb nach innen zusammen, presste den Hals zusammen und ließ den Kopf rot glühen. Meine Finger hatten sich in die Oberschenkel gekrallt. Ich sah das Video bereits zum dritten Mal, aber es hatte nichts von seiner Wirkung auf mich verloren.
Manuela ging es genauso.
Sie hatte sogar Tränen in den Augen.
Wir saßen in meinem Arbeitszimmer. Vor uns auf dem Schreibtisch lag, schräg aufgerichtet, mein Laptop. Das erste Mal hatte ich das Video noch auf meinem Handy angeschaut. Ich hatte den QR -Code von der Rückseite der schwarzen Visitenkarte eingescannt, und die schwarze Maske mit den roten Fäden vor den Augen hatte zu mir gesprochen.
Du bist jetzt Mitglied im Deathbook. Leiste deinen Beitrag. Nimm ein Video auf, wie jemand stirbt, und lade es hoch. Verweigerst du deinen Beitrag, nehmen wir ein Video auf, wie DU stirbst.
Danach hatte das Video begonnen. Auf dem kleinen Bildschirm meines Handys hatte ich es noch für einen Fake gehalten. Deshalb hatte ich den QR -Code noch einmal eingescannt und das Video ein zweites Mal auf dem größeren und höher auflösenden Bildschirm verfolgt.
Während es lief, hatte ich Manuela angerufen.
Das war vor einer Stunde gewesen.
«Großer Gott», sagte sie leise. «Das ist nicht gestellt. Sie ist wirklich gestorben.» Ihre Stimme zitterte genauso wie ihre Hände.
Es gab in dem Video ein paar Details, die diesen erschütternden Schluss zuließen. Die hervortretende Ader an der Stirn des Mädchens. Die hervorquellenden Augen. Der Schweiß an ihrem Körper. Das verzweifelte Zucken und Tasten. Und kurz bevor sie aufgehört hatte, sich zu bewegen, hatte sich ihre Blase entleert.
Ich hatte bis zuletzt gehofft, dass Manuela etwas entdecken würde, ein winziges Detail, das dieses Video als Fälschung entlarvte, aber das war nicht passiert. Weil es ganz einfach keine Fälschung war. Jemand hatte das Mädchen am Hals aufgeknüpft, es auf einen Eisblock gestellt, den Block mit Hilfe eines starken Scheinwerfers zum Schmelzen gebracht und mit seiner Kamera festgehalten, wie das Mädchen langsam und qualvoll starb.
«Ich weiß», sagte ich ebenso leise. «Es ist schockierend.»
Neben dem Rechner lagen der schwarze Umschlag und die Visitenkarte mit der Maske darauf. Beides hatte ich nur noch mit der Pinzette berührt, seit ich Manuela angerufen hatte. Meine Fingerabdrücke waren aber natürlich trotzdem darauf.
Die Maske schien uns anzustarren.
Mit einem heftigen Ruck stand Manuela vom Stuhl auf und wandte sich vom Schreibtisch ab. Sie rieb sich die Augen und sah mich dann an.
«Wer ist das Mädchen?», fragte sie.
«Ich kenne sie nicht.»
«Du bist dir ganz sicher?»
«Manuela … ich habe das Video dreimal angeschaut. Und die Aufnahme war qualitativ gut. Der Täter hat nicht mit einem Handy gefilmt, sondern wahrscheinlich mit einer professionellen Kamera. Ja, ich bin mir sicher.»
Sie sah zu Boden und nickte.
«Ist dir aufgefallen, mit welcher akribischen Leidenschaft er den Verlauf des Wassers gefilmt hat? Vom Gully bis hinauf ins Gesicht des Mädchens?»
«Ja, der Mistkerl hat Spaß daran. Vielleicht glaubt er sogar, das Ganze habe einen künstlerischen Wert.»
Manuela zückte ihr Handy. «Ich rufe Kieling an. Er soll herkommen und die Spurensicherung mitbringen.»
«Ja, okay.»
Nachdem sie angerufen hatte, sah sie mich an. Ihre Augen glänzten noch immer feucht.
«Mir ist schlecht, ich könnte kotzen.»
«Kann ich verstehen … möchtest du vielleicht etwas trinken?»
«Ja, Wasser.»
Wir gingen in die Küche. Ich schenkte uns beiden
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