Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
Superintendent Kincaid«, sagte er, als er sie in die Wohnung führte.
Als Gemma sah, daß Tommy Godwin frisch und munter war und keineswegs den Kopf in den Gasofen gesteckt oder etwas ähnlich Unbesonnenes getan hatte, überkam sie ein irrationaler Zorn auf ihn, daß er sie so sehr geängstigt hatte. Während sie den Männern folgte, sah sie sich neugierig um. Eine kleine, moderne Küche zur Linken, schwarzweiß wie der Treppenvorplatz. Rechts ein ebenfalls in Schwarzweiß gehaltenes Wohnzimmer, durch dessen großes Fenster sie ein graues London sehen konnte. Die Linien der Möbel waren gerundet, jedoch ohne Schnörkel. Gemma fand den Raum wohltuend in Seiner Sanftheit, die ihr zu Tommy Godwin zu passen schien.
Auf einem Sessel vor dem Fenster hockte eine Katze und beobachtete sie mit saphirblauen Augen.
»Sie haben übrigens recht, Superintendent«, sagte Godwin gerade, als sie zu den beiden Männern trat, »das Haus ist Anfang der dreißiger Jahre gebaut worden. Es war damals natürlich der letzte Schrei moderner Architektur, und es hat sich im Gegensatz zu den meisten Nachkriegsmonstrositäten unglaublich gut gehalten. - Bitte, nehmen Sie doch Platz«, fügte er hinzu, als er sich selbst in einem gerundeten Sessel niederließ. »Ich stelle mir allerdings vor, daß es im Krieg hier oben ziemlich beängstigend gewesen sein muß. Man muß sich wie eine Zielscheibe vorgekommen sein, wenn die deutschen Bomber angedonnert kamen. Eine Ritze in der Verdunkelung und -«
»Tommy«, unterbrach Gemma streng, »im LB-Haus wurde uns gesagt, Sie fühlten sich nicht wohl. Was fehlt Ihnen?«
Er fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar, und im klaren Licht sah Gemma, daß die Haut unter seinen Augen ein wenig schlaff zu werden begann. »Ich bin einfach nicht ganz auf der Höhe, Sergeant. Ich muß zugeben, daß der gestrige Tag mich recht mitgenommen hat.« Er stand auf und trat zu dem Barschrank an der Wand. »Darf ich Ihnen einen Sherry anbieten? Es ist ja fast Mittag, und Rory Allyn hat bestimmt immer einen Sherry angenommen, wenn er Verdächtige verhört hat.«
»Tommy, Herrgott noch mal, das ist keine Detektivgeschichte«, sagte Gemma, die ihre Gereiztheit nicht zurückhalten konnte.
Die Sherrykaraffe in einer Hand, drehte er sich nach ihr um.
»Ich weiß, Verehrteste. Aber das ist eben meine Art, im Dunkeln zu pfeifen.« Sein sanfter Ton sagte ihr, daß er ihre Besorgnis anerkannte und von ihr gerührt war.
»Zu einem kleinen sage ich nicht nein«, bemerkte Kincaid, und Godwin stellte drei Gläser und die Karaffe auf ein kleines Tablett.
»Wenn ich schon die Verantwortung für ein Verbrechen übernehmen soll, das ich nicht begangen habe«, sagte Godwin, als er eingeschenkt hatte und die Gläser herumreichte, »dann will ich es wenigstens mit Grazie tun.«
»Sie haben mir gestern gesagt, sie seien in Clapham gewesen, um Ihre Schwester zu besuchen.« Gemma machte eine Pause und trank. Dann fügte sie langsam hinzu: »Aber von Kenneth haben Sie nichts gesagt.«
»Ach so.« Tommy Godwin lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloß die Augen. Im grauen Licht traten die Linien der Erschöpfung um seinen Mund und seiner Nase deutlich hervor. Zum erstenmal sah Gemma das Grau, das sich in das Blond an den Schläfen mischte. »Würden Sie Ihre Verwandtschaft mit Kenneth freiwillig zugeben, wenn Sie eine Wahl hätten?« fragte Godwin, ohne sich zu rühren. »Nein, antworten Sie nicht darauf.« Er öffnete die Augen und sah Gemma mit einem etwas bemühten Lächeln an. »Ich nehme an, Sie haben ihn kennengelernt?«
Gemma nickte.
»Dann kann ich wohl auch annehmen, daß die ganze schmutzige Katze aus dem Sack ist.«
»Ich denke, ja. Sie haben mich belogen. Bei Ihrem Abendessen mit Connor ging es überhaupt nicht darum, daß er seine alte Stellung wiederhaben wollte. Er hat Sie vielmehr mit dem konfrontiert, was er von Kenneth erfahren hatte.« Heute ist anscheinend mein Anklagetag, dachte sie, als ihr bewußt wurde, daß sie Tommy Godwins Lüge persönlich nahm, so als sei sie von einem Freund getäuscht worden.
»Das war doch nur eine kleine Flunkerei -« Als er Gemmas Gesichtsausdruck sah, brach er ab und seufzte. »Tut mir leid, Sergeant. Sie haben ganz recht. Was wollen Sie jetzt von mir wissen?«
»Fangen Sie von vorn an. Erzählen Sie uns von Caroline.«
»Ah, ganz von vorn, meinen Sie.« Tommy Godwin schwenkte den Sherry in seinem Glas und
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