Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
zu Gwen«, sagte sie, als sie zu ihr kamen, und bei näherem Hinsehen bemerkte Gemma die Gänsehaut auf ihren nackten Beinen.
»Gwen?« fragte Kincaid.
»Alastairs Mutter, Sie wissen schon. Mutter besucht sie jeden Sonntag morgen. Sie wollte daran nichts ändern. Möchten Sie reinkommen?« Lucy öffnete die Tür, um sie einzulassen.
In der Küche setzte sie sich an den Tisch vor eine Schale Cornflakes, machte aber keine Anstalten weiterzuessen. »Ich bin froh, daß Sie gekommen sind«, sagte sie ein wenig unbeholfen und faltete die Hände auf dem Schoß. »Ich wollte Ihnen für gestern danken. Ich meine, daß Sie Geoff freigelassen haben.«
»Dafür sollten Sie Geoffs Freunden danken. Er scheint viele zu haben.« Kincaid zog einen Stuhl heraus und setzte sich. Gemma tat es ihm nach, aber es mutete sie immer noch seltsam an, so ganz alltäglich in diesem Raum zu sitzen.
»Ich glaube, das hat er bis gestern abend gar nicht gewußt. Er denkt immer, er ist es gar nicht wert, daß man ihn mag.«
Gemma, die das Mienenspiel des jungen Mädchens beobachtete, fragte sich, ob Geoff glaubte, Lucys Liebe zu verdienen - sie hatte nämlich plötzlich keinen Zweifel daran, daß Lucy ihn in der Tat liebte, mit der ganzen Leidenschaft ihres siebzehnjährigen Herzens.
»Lucy«, sagte Kincaid, »können Sie uns vielleicht weiterhelfen, da Ihre Mutter nicht hier ist?«
»Gern.« Sie sah ihn erwartungsvoll an.
Gemma war gespannt, wie Kincaid es anpacken würde. Ein Blick in Gilberts Terminkalender, der auf der Dienststelle lag, hatte Kincaids Erinnerung bestätigt. Als er sich mit demonstrativer Langmut erkundigt hatte, warum er von der Verbindung nicht informiert worden war, hatte der zuständige Beamte erklärt, sie hätten geglaubt, der Commander hätte nur seine Frau angerufen.
»Glauben heißt nicht wissen, Sportsfreund«, hatte Kincaid scharf erwidert. »Merken Sie sich das.«
»Arbeitet Ihre Mutter gewöhnlich über ihre normale Arbeitszeit hinaus, Lucy?« fragte er jetzt.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Sie versucht immer, hier zu sein, wenn ich aus der Schule komme. Sie verspätet sich höchstens mal um ein paar Minuten.«
»Wie war es an dem Abend vor Alastairs Todestag? War da irgend was anders als sonst?«
»Das war der Dienstag.« Lucy überlegte einen Moment. »Wir waren beide um fünf zu Hause. Und später hat Mutter sich mit mir zusammen einen alten Film angeschaut.« Sie zuckte die Achseln. »Es war alles wie immer.«
»Hat Alastair Ihre Mutter manchmal im Laden angerufen?«
Einen Moment sah sie ihn verblüfft an. »Nein, das glaube ich nicht. Manchmal hat er seine Sekretärin hier anrufen lassen, um Bescheid zu geben, daß er später kommen würde. Aber oft hat er sich auch gar nicht gemeldet und ist einfach später gekommen. Alastair hat sich wegen anderer nie Umstände gemacht«, fügte sie hinzu. »Nicht mal als sich Mutter im letzten Jahr das Handgelenk gebrochen hat, ist er vom Büro nach Hause gekommen. Geoff und ich haben sie vom Krankenhaus abgeholt. Ich hatte da noch nicht mal meinen Führerschein, sondern durfte nur in Begleitung einer Person mit Fahrerlaubnis fahren.«
»Wie ist das denn passiert?« fragte Gemma.
»Ach, sie ist auf der alten Straße durch den Hurtwood gefahren und in einem Monsterschlagloch gelandet, sagt sie. Da hat es das Lenkrad so verrissen, daß es ihr das Handgelenk gebrochen hat.«
»Oh, das muß schmerzhaft gewesen sein.« Gemma schnitt eine Grimasse.
»Und es war auch noch ihre rechte Hand«, fügte Lucy mit einem Lachen hinzu. »Ich mußte wochenlang alles für sie tun, und das hat ihr gar nicht gepaßt. Und Nägel kauen konnte sie auch nicht mehr.«
Kincaid sah auf seine Uhr. »Es hat keinen Sinn, länger auf sie zu warten. Kann ich von Alastairs Arbeitszimmer aus mal kurz telefonieren, Lucy?«
Als er gegangen war, lächelte Lucy Gemma schüchtern zu. »Er ist sehr nett, nicht? Sie haben echt Glück, daß Sie mit ihm Zusammenarbeiten können.«
Verdutzt suchte Gemma nach einer Erwiderung. Vor einer Woche noch hätte sie ohne weiteres zugestimmt, vielleicht sogar mit einer Spur Selbstzufriedenheit. Ein heftiges Gefühl des Verlusts überkam sie plötzlich, aber sie brachte dennoch ein Lächeln zustande. »Ja, das stimmt. Da haben Sie recht«, sagte sie, bemüht, Überzeugung zu zeigen, und ignorierte Lucys verwunderten Blick.
»Also?« sagte Gemma, als sie wieder
Weitere Kostenlose Bücher