Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
verhindern, daß sie durch einen unpersönlichen Anruf von Jackies Tod erfuhr. Er hatte es wirklich nicht verdient, daß sie ihn so schlecht behandelte, wie sie das in letzter Zeit getan hatte.
»Die Sonne geht langsam unter«, sagte er. »Es wird bald dunkel werden. Wir sollten lieber losgehen, solange wir noch was sehen.«
Sie stolperten die letzten zwei-, dreihundert Meter des Fußwegs im dunkler werdenden Zwielicht hinunter, und als sie das Dorf erreichten, gingen in den Häusern bereits die ersten Lichter an.
Kincaid sah Gemma an, die sich im aufkommenden Wind tief in den Anorak gehüllt hatte. Auf dem Rückweg vom Turm war kaum ein Wort von ihr gefallen, aber er nahm in ihrem Schweigen nichts Feindseliges wahr, nur eine Tendenz, sich zurückzuziehen. Unterwegs hatte sie an unsicheren Wegstellen bereitwillig seine Hand gefaßt.
»Claire müßte inzwischen zurück sein«, sagte er. »Schauen wir doch gleich einmal am Haus vorbei.«
»So?« Gemma wies auf ihre schmutzbespritzte Hose und die verdreckten Schuhe.
»Warum nicht? Da wirken wir wie richtige Wandersleute.«
Das Tor knarrte, als sie es öffneten, um in den Garten zu treten, und Hecken und Büsche nahmen im Dämmerlicht unerwartet bedrohliche Formen an. Als sie um die hintere Hausecke bogen, blieb Kincaid plötzlich stehen, im ersten Moment selbst nicht sicher, was ihm eigentlich merkwürdig vorkam. Er hob die Hand, um Gemma aufzuhalten, und spähte nach hinten zum Hundezwinger. War das ein Schatten oder eine reglose dunkle Gestalt?
»Lewis?« sagte er leise, aber das dunkle Häufchen rührte sich nicht. Kincaid bekam Herzklopfen. »Bleiben Sie hier«, sagte er flüsternd zu Gemma, doch er spürte, daß sie ihm folgte, als er über das Gras zum Zwinger lief.
Der dunkle Schatten gewann an Substanz, als er näher kam, entpuppte sich als der Hund, der mit von sich gestreckten Gliedern auf der Seite lag. Kincaid kniete nieder und schob eine Hand durch das Maschendrahtgitter. Er streckte seine Finger, und es gelang ihm, den Hund zu berühren. Das Fell fühlte sich warm an, und die Flanke unter seiner Hand hob und senkte sich sacht.
»Ist er ...« Gemma vollendete die Frage nicht.
»Er atmet.« Er bemerkte einen dunklen Fleck auf dem Beton unter dem Kopf des Hundes und hob den Kopf, um zu den dunklen Fenstern des Hauses zurückzublicken. »Irgendwas stimmt hier nicht, Gemma. Bleiben Sie ...«
»Ich laß’ Sie doch da nicht allein reingehen«, flüsterte sie. »Glauben Sie das ja nicht.«
Gemeinsam eilten sie über den Rasen. Als sie die Hintertür erreichten, zog Kincaid sie vorsichtig auf, und sie schlichen leise wie Gespenster durch den kleinen Vorraum. In der Küche blieben sie im Dunkeln stehen. Kincaid drehte sich einmal langsam um sich selbst, wobei er angespannt in die Finsternis spähte und in die Stille horchte.
Nach einigen Sekunden ließ das Hämmern seines Herzens nach, und er spürte, daß auch Gemmas Körper sich entspannte. Gerade wollte sie etwas sagen, da vernahmen sie das Geräusch. Blitzschnell schlang er seinen Arm um sie und drückte ihr die Hand auf den Mund. Ihre Zähne schlugen an seine Handfläche, als sie einen Aufschrei der Überraschung unterdrückte.
Dann hörte er es wieder, ein kaum wahrnehmbares Knarren. »Das Handy«, hauchte er Gemma ins Ohr. »In meiner Jacke im Auto. Gehen ...«
Die Stimme drang aus dem dunkleren Rechteck der Tür in den Flur zu ihnen. »Das würde ich an Ihrer Stelle lieber nicht tun.«
* 15
»Chief Inspector Ogilvie, nehme ich an?« Kincaids leichter Plauderton konnte Gemma nicht täuschen. Sie spürte die Spannung in der Hand, die immer noch auf ihrem Mund lag. Vorsichtig hob sie einen Arm und tippte seine Hand an, um ihn wissen zu lassen, daß sie verstanden hatte. Er ließ sie los und trat einen kleinen Schritt von ihr weg, während er zu sprechen fortfuhr. »Sie haben uns eine Menge Mühe erspart. Wir suchen Sie schon eine ganze Weile.«
»Rühren Sie sich nicht von der Stelle«, befahl der Mann scharf. Ein Knacken, und das Licht im Flur hinter ihm flammte auf. Es umriß seinen Körper, ließ jedoch sein Gesicht im Schatten. Und es schien auf einen Gegenstand in seiner Hand - flach und kompakt, es sah aus wie ein Spielzeug. Eine Pistole. Gemma versuchte verzweifelt, sich an das Kapitel über Faustfeuerwaffen in ihrem Lehrbuch zu erinnern, um die Waffe identifizieren zu können - eine Halbautomatik, eine
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