Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
»Weg von der Tür.« Dann lächelte er, und Gemma wurde eiskalt. Der Glanz in seinen Augen erinnerte sie an die Bilder keltischer Krieger vor der Schlacht, die sie einmal gesehen hatte. David Ogilvie amüsierte sich.
Stimmen, dann Schritte. Die Tür zum Vorraum wurde geöffnet. Claire Gilbert kam in die Küche und sagte: »Was ist denn hier ...« Sie brach ab. »David?« Ihre Stimme schnappte fast über vor Überraschung.
»Hallo, Claire.«
»Aber was - ich verstehe nicht.« Claire blickte von Ogilvie zu Gemma und Kincaid.
»Ich würde ja sagen >lange nicht gesehen<, aber das entspräche nicht ganz der Wahrheit.« Ogilvie schüttelte bedauernd den Kopf. »Du weißt, daß du damals die falsche Entscheidung getroffen hast, nicht wahr, Claire. Es hätte mich so und so meine Beförderung gekostet - Alastair war nicht nur eifersüchtig, sondern auch rachsüchtig -, aber wenigstens hätte ich dann dich gehabt, um mich zu trösten ...«
»Mami!« Beinahe weinend stürzte Lucy in die Küche. »Lewis hat irgendwas. Er rührt sich nicht. Ich kann ihn nicht wecken!« Rutschend hielt sie neben ihrer Mutter an. »Was ...«
»Er ist nur betäubt«, sagte Ogilvie. »Du solltest ihm beibringen, von Fremden kein Fleisch anzunehmen. Er wird bald wieder zu sich kommen.« Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Claire. »Aber du hattest Angst vor mir. Weißt du noch, daß du mir das gesagt hast, als du mir mitgeteilt hast, daß du Alastair heiraten würdest? Du hast gesagt, ich hätte etwas Ungezügeltes, und du müßtest an Lucy denken, sie brauche ein stabiles Zuhause.« Er lachte geringschätzig.
Claire zog Lucy an sich. »Ich habe nur getan, was ...«
»Er hat mich dazu erpreßt, dich zu überwachen. Sein Mißtrauen hat ihn aufgefressen wie eine Krankheit. Monatelang habe ich meine ganze freie Zeit damit zugebracht, dich zu beobachten. Du führst wirklich ein ziemlich langweiliges Leben, meine Liebe, abgesehen natürlich von der gelegentlichen Ausnahme.« Er sah Claire lächelnd an. »Du solltest froh sein, daß ich ihm nicht alles erzählt habe, was ich gesehen habe.«
Sein scharfer Blick kehrte zu Gemma und Kincaid zurück. »Tja, das war sehr unterhaltsam, aber ich denke, wir haben genug geplaudert. Oben gibt es doch gewiß ein Zimmer, das man absperren kann?«
Claire nickte.
»Also dann, Herrschaften, alle zusammen nach oben.« Ogilvie wies mit der Waffe zum Flur.
Draußen fiel die Hintertür zu. Sie drehten sich alle um wie die Marionetten.
»Mrs. Gilbert, die Tür war offen, und Sie haben Ihren Schlüssel ...« An der Küche blieb Will Darling wie angewurzelt stehen. »Was zum Teufel...« Im Bruchteil einer Sekunde registrierte er, was vorging, wirbelte herum und sprang zur Tür.
Ein Schuß krachte, und mit einem Schmerzensschrei ging Will zu Boden. Mit beiden Händen seinen Oberschenkel umfassend, wälzte er sich hin und her, und Gemma sah, wie sich ein großer Blutfleck auf dem hellen Stoff seiner Hose ausbreitete. Ihr taten die Ohren weh von dem Knall, und sie schluckte, als der beißende Pulvergeruch ihr in die Nase stieg.
Zuviel Blut, dachte sie angstvoll. Lieber Gott, laß es nicht die Hauptschlagader sein. Dann verblutet er. Sie versuchte, sich an ihre Erste-Hilfe-Ausbildung zu erinnern. »Üben Sie Druck direkt auf die Wunde aus.« Ohne auf Ogilvie zu achten, packte sie ein Geschirrtuch, das auf dem Herd lag, und kauerte neben Will nieder. Nachdem sie das Tuch zu einer Kompresse zusammengelegt hatte, drückte sie es mit ihrem ganzen Gewicht auf Wills Bein. Will wollte sich aufrichten, fiel aber sogleich mit einem Stöhnen wieder zurück. Er grapschte nach Gemmas Arm und zog an ihrem Ärmel. »Gemma, helfen Sie mir. Ich muß Verstärkung anfordern. Was ist pas...«
»Schsch! Es kommt schon alles in Ordnung, Will. Bleiben Sie jetzt ruhig liegen.« Erst da sah sie zu Ogilvie hinauf. Seine Lippen waren so fest zusammengepreßt, daß sie nur einen schmalen, blutleeren Strich in seinem Gesicht bildeten. Sein Arm war stocksteif. Es kann so oder so gehen, dachte sie. Er hatte die Barriere durchbrochen, die die meisten Menschen vor der Anwendung von Gewalt zurückhielt; jetzt konnte alles geschehen.
»Hören Sie, Ogilvie.« Kincaid ging vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. Dann noch einen. »Sie sehen doch, daß es sinnlos ist weiterzumachen? Was wollen Sie tun - uns alle niederschießen? Sie werden Lucy oder Claire niemals etwas antun,
Weitere Kostenlose Bücher