Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
obwohl die Frage selbst nie berührt worden war.
»Er wollte sich gleich scheiden lassen, wenn die zwei Jahre um gewesen wären - solang dauert das nämlich, wenn man sich ohne die Zustimmung des andern Partners scheiden lassen will.« Aus der Art, wie sie sich ausdrückte, gewann Kincaid den Eindruck, daß sie diesen Satz auswendig gelernt hatte, vielleicht, um sich selbst zu trösten, daß sie etwas wiederholte, was Connor ihr gesagt hatte.
»Und Sie wollten auf ihn warten? Das hätte doch noch ein ganzes Jahr gedauert, nicht wahr?«
»Warum hätte ich nicht warten sollen?« entgegnete sie mit anschwellender Stimme. »Con hat mir nie Anlaß gegeben zu glauben, daß er es nicht ernst meint.«
Ja, warum nicht? dachte Kincaid. Hätte sie denn bessere Aussichten gehabt? Er sah sie nachdenklich an. Ein wenig zurückgelehnt saß sie in ihrem Sessel, die Unterlippe streitlustig vorgeschoben, beide Hände um ihr Sherryglas gelegt. Hatte sie Connor Swan wirklich geliebt, oder hatte sie ihn nur als guten Versorger gesehen? Und wie war diese sonderbare Beziehung überhaupt zustande gekommen? Er bezweifelte, daß die beiden sich in den gleichen gesellschaftlichen Kreisen bewegt hatten.
»Sharon«, sagte er vorsichtig, »wie haben Sie und Connor sich eigentlich kennengelernt?«
»Im Park«, antwortete sie mit einer Kopfbewegung zum Fluß hin. »Gleich da draußen, in den Themseauen. Man kann es von der Straße aus sehen. Es war im Frühling. Ich hab Hayley beim Schaukeln angeschubst, und sie ist rausgefallen und hat sich das Knie aufgeschlagen und fürchterlich geschrien. Da ist Con rübergekommen und hat mit ihr geredet, und ruckzuck hat sie wieder gestrahlt und ihn angelacht.« Sie lächelte bei der Erinnerung. »Er konnte sie um den Finger wickeln. Er hat uns dann mit hierhergenommen und ihr Knie verarztet.« Als Kincaid eine Augenbraue hochzog, fügte sie eilig hinzu: »Ich weiß, was Sie denken. Erst hab ich auch ein bißchen Angst gehabt, daß er - na ja, Sie wissen schon, irgendwie komisch ist. Aber so war es überhaupt nicht.«
Sharon wirkte jetzt entspannt, die innere Kälte schien gewichen zu sein. Die Beine mit den unglaublichen Schuhen vor sich ausgestreckt, saß sie bequem in ihrem Sessel, das Sherryglas in ihrem Schoß haltend.
»Wie war es denn?« fragte Kincaid leise.
Sie ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Die dunkel getuschten Wimpern legten Schatten auf ihre Wangen, während sie mit gesenktem Blick in ihr Glas starrte. »Komisch. Ich mein, mit seinem Job und so hat Con einen Haufen Leute gekannt. Immer war er mit irgend jemand zum Mittagessen oder zum Abendessen verabredet, oder auch zum Golfspielen. Dauernd in Aktion, lauter wichtige Sachen.« Sie hob den Blick und sah Kincaid an. »Ich glaube, er war einsam. Zwischen den vielen Verabredungen und Terminen hat’s gar nichts gegeben.«
Kincaid dachte an den Terminkalender mit der unendlichen Zahl von Einträgen. »Sharon, was hatte Con denn für einen Job?«
»Er war in der Werbebranche.« Sie zog die Brauen zusammen und sagte: »Blakely, Gill... ich weiß nicht mehr, ich kann mich nicht erinnern. Es war jedenfalls in Reading.«
Dann war es kein Wunder, daß er so viele Termine gehabt hatte. Kincaid erinnerte sich des Namens im Scheckverzeichnis und sagte: »Blackwell, Gillock und Frye.«
»Genau.« Sie nickte strahlend.
Kincaid rief sich das Scheckverzeichnis noch einmal ins Gedächtnis. Wenn Connor Sharon finanziell unterstützt hatte, so hatte er ihr Bargeld gegeben - ihr Name war nirgends eingetragen gewesen. Es sei denn, er hatte ihr das Geld über eine dritte Person zukommen lassen. Wie beiläufig fragte er: »Kennen Sie jemanden namens Hicks?«
»Ach, dieser Kenneth!« sagte sie wütend und setzte sich mit einem Ruck auf. »Ich hab gedacht, Sie wären er, als ich vorhin reinkam und Sie oben gehört hab. Ich hab gedacht, er wär hergekommen, um sich zu holen, was er kriegen kann, dieser Aasgeier.«
War das der Grund, weshalb sie so erschrocken gewesen war?
»Wer ist dieser Mann, Sharon? Was für eine Verbindung hatte er zu Con?«
»Ach, wissen Sie, Con hatte eine Schwäche fürs Pferderennen«, antwortete sie in nachsichtigem Ton. »Und dieser Kenneth hat bei einem Buchmacher gearbeitet und für Con die Wetten plaziert. Er klebte dauernd an Con dran, und mich hat er behandelt wie Dreck.«
Wenn das zutraf, mußte Connor Swann ein echter Spieler gewesen sein.
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