Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
Sie’s.«
»Um das alles zu verstehen, müßten Sie wissen, wie es zwischen uns war, als es dem Ende zuging.« Sie rieb den Samt auf der Sessellehne mit einem Finger gegen den Strich. Kincaid wartete. Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Er konnte meiner nicht habhaft werden - anders kann ich es nicht ausdrücken. Je heftiger er es versuchte, desto frustrierter wurde er, bis er schließlich anfing, sich alles mögliche einzubilden.«
»Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, er konnte Ihrer nicht habhaft werden?« fragte Kincaid.
»Ich war nie für ihn da, jedenfalls weder so, wie er es wollte, noch wann er es wollte ...« Sie verschränkte die Arme, als wäre ihr plötzlich kalt. »Haben Sie es mal erlebt, daß jemand Sie ausgesogen hat, Superintendent?« Ehe er antworten konnte, fügte sie hinzu: »Ich kann Sie einfach nicht Superintendent nennen. Das ist ja furchtbar. Sie heißen Duncan, nicht wahr?« Sie betonte seinen Namen leicht auf der ersten Silbe, so daß er einen schottischen Anklang bekam.
»Und was hat sich Connor eingebildet, Julia?«
Sie zuckte die Achseln mit herabgezogenen Mundwinkeln. »Ach, Sie wissen schon. Liebhaber, geheime Rendezvous und dergleichen.«
»Aber es war alles nur Einbildung?«
»Damals schon.« Sie zog die Brauen hoch und sah ihn mit einem leicht herausfordernden Lächeln an.
»Heißt das, daß ausgerechnet Connor eifersüchtig war?«
Julia lachte, und die Art, wie dieses Lachen ihr schmales Gesicht verwandelte, berührte ihn tief. »Das ist wirklich paradox, nicht wahr? Ein echter Witz. Connor Swann, Weiberheld erster Klasse, hat Angst, daß seine eigene Frau ihn hintergeht.« Als sie Kincaids Verblüffung sah, lachte sie noch einmal kurz und sagte: »Haben Sie geglaubt, ich hätte von Cons Ruf nichts gewußt? Da hätte ich wirklich taub und blind sein müssen.« Ihre Heiterkeit trübte sich, und sie fügte leise hinzu: »Je mehr ich ihm entglitt, desto mehr Eroberungen mußte er natürlich machen. Was meinen Sie - wollte er mich strafen? Oder hat er nur gesucht, was ich ihm nicht geben konnte?« Sie blickte an Kincaid vorbei zum Fenster.
»Sie haben meine Frage immer noch nicht beantwortet«, sagte er wieder, diesmal jedoch freundlich.
»Was?« Sie riß sich aus ihrer Gedankenverlorenheit. »Ach so, wegen der Wohnung. Ich war am Ende nur noch erschöpft. Ich bin davongelaufen. Das war einfacher.« Schweigend sahen sie einander einen Moment an, dann sagte sie: »Das können Sie doch verstehen, oder nicht, Duncan?«
Bei dem Wort >davongelaufen< sah er sich plötzlich, wie er in aller Eile nur das Nötigste eingepackt hatte, um aus der Wohnung zu fliehen, die Vic und er mit solcher Sorgfalt ausgesucht hatten. Es war leichter gewesen, leichter, ganz von vorn anzufangen, an einem Ort, wo nichts ihn an sein Versagen oder ihres erinnerte.
»Und Ihr Atelier?« fragte er, die Erinnerung ausblendend.
»Ich habe es natürlich vermißt, aber ich kann überall malen, wenn es sein muß.« Ihren Blick unverwandt auf ihn gerichtet, lehnte sie sich zurück.
Kincaid dachte an seine früheren Gespräche mit ihr zurück und versuchte die Veränderung, die er spürte, zu fassen zu bekommen. Sie war immer noch scharf und schnell, ihre hohe Intelligenz jederzeit spürbar, doch die gereizte Nervosität war verschwunden. »Das Zusammenleben mit Ihren Eltern war nicht leicht für Sie, nicht wahr?«
Einen Moment lang starrte sie ihn schweigend an, die Lippen leicht geöffnet, und ihn durchrann wieder dieser Schauder, der dem Wissen entsprang, daß er sie auf eine Weise kannte, die mit Worten nichts zu tun hatte.
»Sie sind sehr scharfsichtig, Duncan.«
»Was ist mit Trevor Simons? Hatten Sie damals schon eine Beziehung mit ihm?«
»Ich sagte Ihnen doch, nein. Es gab niemanden.«
»Und jetzt? Lieben Sie ihn?« Eine notwendige Frage, sagte er sich, doch die Worte schienen ihm ganz von selbst über die Lippen zu kommen.
»Liebe, Duncan?« Julia lachte. »Wollen Sie hier mit mir philosophische Haare über die Natur von Liebe und Freundschaft spalten?« In ernsterem Ton fuhr sie fort: »Trev und ich sind Freunde, ja, aber verliebt bin ich nicht. Spielt das überhaupt eine Rolle?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Kincaid aufrichtig. »Würde er für Sie lügen? Sie sind an dem Abend Ihrer Vernissage doch einmal weggegangen, das weiß ich inzwischen. Ich habe einen Zeugen, der Sie gesehen
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