Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
langen Sitzen auf der harten Tischplatte ganz taub geworden war, und rutschte von ihr herunter. Er streckte sich, dann hockte er sich auf den Perserteppich, die Arme um die Knie geschlungen, und sah zu Julia hinauf. Ihm fiel auf, wie anders ihr von Licht und Schatten belebtes Gesicht aus dieser Perspektive wirkte. »Wußten Sie von der Spielleidenschaft Ihres Mannes, als Sie ihn heirateten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich wußte nur, daß er gern zum Rennen ging, und für mich war es ein netter Spaß. Ich hatte noch nie ein Pferderennen gesehen -« Sie lachte über sein Gesicht. »Nein, wirklich. Sie glauben, ich wäre in einer sehr vielseitigen und kosmopolitischen Welt aufgewachsen, nicht wahr? Aber Sie verstehen nicht, daß meine Eltern einzig die Musik interessiert.« Sie seufzte, dann sagte sie nachdenklich: »Ich war begeistert von den Farben und der Bewegung, von der Anmut der Pferde und ihren perfekten Körpern. Ich merkte erst ganz allmählich, daß es für Con nicht nur Spaß war, nicht in dem Sinn wie für mich. Er geriet bei den Rennen häufig ins Schwitzen, und manchmal fiel mir auf, daß seine Hände zitterten. Und eines Tages erkannte ich, daß er mich immer belog, wenn ich ihn fragte, wieviel er gesetzt hätte.« Achselzuckend fügte sie hinzu: »Nach einer Weile bin ich nicht mehr mitgegangen.«
»Aber Ihr Mann hat weiterhin gewettet.«
»Natürlich gab es deswegen Streit zwischen uns. >Ein harmloses Vergnügen< nannte er es. Er verdiene das nach dem täglichen Arbeitsdruck. Aber erst gegen Ende wurde es wirklich beängstigend.«
»Haben Sie ihm aus der Patsche geholfen, seine Schulden bezahlt?«
Julia senkte den Blick, das Kinn in die Hand gestützt. »Lange, ja. Es ging ja auch um meinen Ruf.«
»Diese Auseinandersetzung am vergangenen Donnerstag war also in gewisser Weise nichts Neues?«
Sie lächelte trübe. »Richtig. Es ist wahnsinnig frustrierend, wenn man sich selbst lauter Dinge sagen hört, die man vorher schon hundertmal gesagt hat, obwohl man genau weiß, daß es sinnlos ist.«
»Hat er, bevor er ging, irgendwas gesagt, das vom üblichen Muster dieser Auseinandersetzungen abwich?«
»Nein, ich kann mich nicht erinnern.«
Und doch war er schnurstracks zu Kennth Hicks gefahren. Hatte er vorgehabt, sich von ihm Geld für die Hypothek zu leihen? »Sagte er Ihnen, daß er am Nachmittag nach London wollte, ins Coliseum?«
Julia hob ruckartig den Kopf. »Nach London? Nein. Nein, davon hat er kein Wort gesagt. Das weiß ich mit Sicherheit. Weshalb hätte er ins Coliseum fahren sollen? Er war doch gerade erst bei meinen Eltern gewesen.«
»Ich hatte gehofft, das könnten Sie mir sagen«, entgegnete er. »Hat Ihr Mann Ihnen gegenüber je den Namen Hicks genannt? Kenneth Hicks.« Er beobachtete sie genau, aber sie schüttelte nur mit einem Ausdruck echter Ratlosigkeit den Kopf.
»Nein. Warum? War er ein Freund von Con?«
»Er arbeitete für einen hiesigen Buchmacher. Unter anderem kassiert er für ihn. Ein ziemlich unangenehmer Bursche. Ihr Mann hat ihm regelmäßig große Beträge bezahlt. Das ist der Grund, weshalb ich noch einmal hierhergekommen bin, ich wollte mir das Scheckbuch Ihres Mannes noch einmal ansehen.«
»Ich habe gar nicht daran gedacht, Cons Dinge durchzusehen«, sagte Julia langsam. »Ich war noch nicht einmal in seinem Arbeitszimmer.« Sie senkte ihren Kopf in beide Hände und sagte gedämpft: »Ich wollte wohl das Unvermeidbare hinausschieben.« Nach einem Moment des Schweigens hob sie den Kopf und sah ihn an, ihr Gesicht eine Mischung aus Verlegenheit und Herausforderung. »Im Bad und im Schlafzimmer hab ich Sachen von einer Frau gefunden. Ich hab sie in einen Karton gepackt - ich wußte nicht, was ich sonst mit ihnen tun sollte.«
Sharon war also nicht noch einmal hergekommen. »Geben Sie den Karton mir. Ich kann die Sachen zurückgeben.«
Sie sah ihn fragend an, doch sie sagte nichts. Er saß ihr so nahe, daß er sie hätte berühren können, und er empfand den Wunsch, seine Hand auf ihre Wange zu legen.
Statt dessen jedoch sagte er ruhig: »Er hatte eine Freundin. Es scheint eine ziemlich feste Beziehung gewesen zu sein. Die Frau hat eine vierjährige Tochter, und Ihr Mann hat ihr versprochen, sie zu heiraten und sich um die beiden zu kümmern, sobald Sie in eine Scheidung einwilligen würden.«
Einen Moment lang starrte Julia ihn völlig verständnislos an, dann lachte sie
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