Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
hat.«
»Ach ja?« Sie sah von ihm weg und bückte sich nach der Packung Zigaretten, die unter ihren Sessel gefallen war. »Stimmt, ich war ein Weilchen draußen. Es war furchtbar voll. Ich gebe es nicht gern zu, aber in so einem Gedränge bekomme ich manchmal Platzangst.«
»Sie rauchen immer noch zuviel«, sagte er, als sie sich eine neue Zigarette anzündete.
»Wieviel ist zuviel? Sie spalten wieder Haare.« In ihrem Lächeln lag eine Spur Übermut.
»Wohin gingen Sie, als Sie die Galerie verließen?«
Julia stand auf und ging zum Fenster. Er drehte sich herum. Sie schloß die Jalousien vor dem anthrazitgrauen Himmel. Immer noch mit dem Rücken zu Kincaid, sagte sie: »Ich mag keine freien Fenster, wenn es dunkel ist. Ich weiß, es ist albern, aber sogar hier oben hab ich immer das Gefühl, jemand könnte mich beobachten.« Sie wandte sich ihm wieder zu. »Ich bin ein Stück am Fluß spazierengegangen, Luft schnappen.«
»Haben Sie Connor getroffen?«
»Nein«, antwortete sie, zu ihrem Sessel zurückkehrend. Sie setzte sich und zog ihre langen Beine hoch. »Und ich war bestimmt nicht länger als fünf oder zehn Minuten weg.«
»Aber Sie haben ihn an diesem Tag gesehen, nicht wahr? Im Haus Ihrer Eltern, nach dem Mittagessen. Sie hatten eine Auseinandersetzung.«
Er sah, wie sie hastig die Luft einsog, als wollte sie es leugnen, doch sie sah ihn nur einen Moment lang schweigend an, ehe sie sagte: »Es war im Grund genommen lächerlich, armselig. Ich hab mich geschämt.
Er kam nach dem Mittagessen nach oben, mit Riesensprüngen wie ein übermütiger junger Hund, und ich bin sofort auf ihn losgegangen. Ich hatte am Morgen einen Brief von der Bank bekommen - er hatte seit zwei Monaten keine Zahlung mehr auf die Hypothek geleistet. Aber genau das war unsere Vereinbarung«, erklärte sie Kincaid, »daß er so lange in der Wohnung bleiben kann, wie er die Zahlungen leistet. Na ja, wir haben gestritten, wie Sie sich vorstellen können, und ich hab ihm gesagt, daß er sofort bezahlen muß.« Sie machte eine kleine Pause und drückte die Zigarette aus, die sie brennend im Aschenbecher liegengelassen hatte. »Außerdem habe ich ihm gesagt, er solle sich langsam nach etwas anderem umsehen. Mir war das zu unsicher, mit den Zahlungen, meine ich ... und es war nicht einfach für mich, zu Hause zu leben.«
»Und damit ist er nicht zurechtgekommen?« fragte Kincaid.
Sie schüttelte mit zusammengepreßten Lippen den Kopf.
»Haben Sie ihm einen Termin gesetzt?«
»Nein, aber er mußte doch sehen, daß es so nicht weitergehen konnte ...«
Kincaid stellte die Frage, die ihm von Anfang an zu schaffen gemacht hatte. »Warum haben Sie sich nicht einfach scheiden lassen, Julia? Einen Schlußstrich gemacht. Das war doch bei Ihnen keine Trennung auf Probe - Sie wußten, als Sie ihn verließen, daß es da nichts zu kitten gab.«
Sie lächelte ein wenig spöttisch. »Gerade Sie müßten doch eigentlich die Gesetze kennen, Duncan. Zumal Sie das gleiche selbst durchgemacht haben.«
Überrascht sagte er: »Alte Geschichten. Sind die Narben noch so sichtbar?«
Julia zuckte die Achseln. »Ich hab nur geraten. Hat Ihre Frau die Scheidung eingereicht?« Als er nickte, fuhr sie fort: »Und haben Sie der Scheidung zugestimmt?«
»Ja, natürlich. Alles andere wäre sinnlos gewesen.«
»Wissen Sie, was geschehen wäre, wenn Sie sich geweigert hätten?«
Er schüttelte den Kopf. »Darüber habe ich nie nachgedacht.«
»Dann hätte sie zwei Jahre warten müssen. Wenn ein Ehepartner der Scheidung nicht zustimmt, muß eine zweijährige Trennung nachgewiesen werden, ehe die Scheidung möglich ist.«
»Soll das heißen, daß Ihr Mann sich geweigert hat, der Scheidung zuzustimmen?«
»Sie haben es erraten, Superintendent.« Sie beobachtete ihn aufmerksam, während er sich das durch den Kopf gehen ließ, und sagte dann leise: »War sie sehr schön?«
»Wer?«
»Ihre Frau natürlich.«
Kincaid stellte sich Vics zarte, helle Schönheit neben der Frau vor, die vor ihm saß. Julias Gesicht schien zwischen der Schwärze ihres Rollkragenpullovers und ihrem dunklen Haar zu schweben, beinahe körperlos, und im Lampenlicht sprangen die Linien von Schmerz und Erfahrung scharf hervor. »Ja, man würde sie wahrscheinlich als schön bezeichnen. Ich weiß es nicht. Es ist so lange her.«
Er merkte plötzlich, daß sein Gesäß von dem
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