Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
ein Alibi sichern wollte, wieso hat er sich dann nicht beim Portier angemeldet? Es war reiner Zufall, daß Alison Douglas ihn in Geralds Garderobe gesehen hat, und Gerald hat von seinem Besuch nichts gesagt.« Gemma, die in der Hitze des Gefechts Kälte und Feuchtigkeit vergessen hatte, holte Atem zur letzten Salve. »Und selbst wenn alles andere zuträfe, wie soll er Connor Swanns Leiche vom Parkplatz in Hambleden bis zur Schleuse geschleppt haben?«
Kincaid erwiderte mit einem Lächeln, das sie wütend machte, weil es verriet, daß er ihre Heftigkeit erheiternd fand: »Tja, das fragen wir ihn wohl am besten selbst.«
* 11
Alison Douglas protestierte, als Gemma sie am folgenden Morgen anrief. »Aber, Sergeant, ich kann unmöglich sämtliche Platzanweiser und Platzanweiserinnen bitten, heute morgen schon ins Theater zu kommen. Sie haben alle gestern abend gearbeitet. Außerdem haben einige von ihnen noch andere Jobs oder gehen noch zur Schule.«
»Versuchen Sie es wenigstens. Sonst müssen wir sie alle in den Yard holen, und darauf sind sie sicher nicht scharf.« Gemma bemühte sich, von ihrer Ungeduld nichts merken zu lassen. Sie hatte eine schlechte Nacht hinter sich, und die Fahrt nach London, mitten im dichtesten Morgenverkehr, war auch nicht gerade eine Wonne gewesen, aber das war kein Grund, ihre schlechte Laune an Alison auszulassen. Im übrigen war ja ihr Anliegen für das Personal tatsächlich eine gewisse Zumutung. »Ich komme kurz vor Mittag«, sagte sie zu Alison und verabschiedete sich dann.
Mit Widerwillen musterte sie die Berge von Papier auf Kin-caids Schreibtisch. Von der Befriedigung, die es ihr sonst bereitete, Kincaids Platz einzunehmen, verspürte sie nichts, statt dessen quälte sie immer noch das Unbehagen, das sie in der vergangenen Nacht bis in die frühen Morgenstunden wachgehalten hatte. Irgend etwas war gestern abend an Kincaid anders gewesen - zunächst war ihr nur eine gewisse fieberhafte Hektik aufgefallen, doch in der Nacht, als sie sich rastlos hin- und hergewälzt hatte, war sie zu der Erkenntnis gekommen, daß sich auch sein Verhalten ihr gegenüber geändert hatte. Hatte sie sich die ungezwungene Herzlichkeit des vergangenen Abends in London nur eingebildet? Er war schließlich zu ihr gekommen. Hatten sein Gefallen an ihrer Wohnung und sein offenkundiges Vergnügen an ihrer Gesellschaft sie dazu verleitet, sich zu weit zu öffnen?
Achselzuckend rieb sie sich die Augen, als könnte sie so die Müdigkeit wegmassieren, doch es half ihr nicht, den Gedanken loszuwerden, daß die Veränderung an Kincaids Verhalten mit seinem Besuch bei Julia Swann zu tun hatte.
Alison schaffte es schließlich, wenigstens vier Platzanweiser zusammenzutrommeln, die jetzt mürrisch, aber auch neugierig auf Klappstühlen in ihrem kleinen Büro saßen.
Gemma stellte sich vor. »Ich werde versuchen, Sie nicht länger als notwendig hier festzuhalten«, fügte sie hinzu. »Kennt jemand von Ihnen Tommy Godwin, den Kostümier? Groß, schlank, blond, sehr gut gekleidet.«
Sie hatte nicht den Eindruck, daß modische Eleganz ihnen etwas bedeutete. Die drei jungen Männer waren ordentlich, aber nicht gerade flott angezogen; das junge Mädchen schien eher für Flippiges zu schwärmen.
»Ich möchte gern wissen, ob jemand von Ihnen ihn am letzten Donnerstag abend gesehen hat.«
Die jungen Männer tauschten verständnislose Blicke. Hinter ihnen stand mit verschränkten Armen Alison, leicht an die Wand gelehnt, und Gemma bemerkte, wie sie überrascht den Mund öffnete. Sie sah sie mit einem leichten Kopfschütteln an und wartete, während das Schweigen sich in die Länge zog.
Schließlich sagte das junge Mädchen: »Ich hab ihn gesehen, Miss.« Sie hatte einen leicht westindischen Tonfall, wahrscheinlich von Eltern oder anderen Familienmitgliedern übernommen, die Einwanderer erster Generation waren.
Gemma atmete auf. »Und Sie sind sicher, daß es am Donnerstag abend war? Als hier Pelleas und Melisande gegeben wurde?« Sie hatte im Grunde ein so positives Ergebnis nicht erwartet, glaubte noch nicht recht daran.
»Ja, Miss.« Das Mädchen lächelte, als fände sie Gemmas Zweifel erheiternd. »Ich schaue mir alle Inszenierungen an - ich kann sie schon voneinander unterscheiden.«
»Gut. Ich bin froh, daß eine von uns das kann.« Gemma lächelte, obwohl sie sich wegen ihres gönnerhaften Tons am liebsten geohrfeigt hätte. »Darf ich fragen, wie
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