Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
plötzlich müde aus. »Ja, das verstehe ich. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Versuchen Sie sich einen Moment in Sir Geralds Garderobe zurückzuversetzen. Ist Ihnen irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Wie soll ich das jetzt noch sagen?« fragte Alison, schon wieder leicht aufgebracht. »Woher soll ich wissen, daß sich unter dem Eindruck dessen, was Sie mir erzählt haben, meine Erinnerung nicht verzerrt hat? Daß ich nicht aus einer Mücke einen Elefanten mache?« Als Gemma nichts erwiderte, fuhr sie ruhiger fort: »Ich habe schon darüber nachgedacht. Sie hörten auf zu sprechen, als ich hereinkam. Ich hatte das Gefühl, ich hätte sie gestört - wissen Sie?« Sie sah Gemma an, und diese nickte. »Und nach diesem ersten Moment der Verlegenheit waren sie dann irgendwie beide zu herzlich, zu jovial, wenn Sie wissen, was ich meine. Jetzt glaube ich, daß ich deshalb nur einen Moment geblieben bin, gerade lang genug, um zu gratulieren, wenn mir das auch damals gar nicht bewußt war.«
»Sonst noch etwas?« fragte Gemma ohne allzu viel Hoffnung.
»Nein, tut mir leid.«
»Ist schon in Ordnung.« Gemma lächelte, obwohl sie Mühe hatte, die Lethargie zu überwinden, die ihr plötzlich in alle Glieder zu kriechen schien. »Ich werde mich eben noch einmal mit ihm unterhalten müssen. Er ist allerdings schwer zu erreichen. Ich habe es heute morgen schon in seiner Wohnung versucht, im LB-Haus und dann hier - alles ohne Ergebnis. Haben Sie einen Tip?«
Alison schüttelte den Kopf. »Nein, er müßte eigentlich hier sein.«
Gemma, die den Schatten von Unruhe in Alisons Augen sah, sagte nachdenklich: »Ich hoffe, es wird sich nicht als zu schwierig erweisen, unseren Mr. Godwin zu finden.«
Beim Revier High Wycombe hatte man Kincaid entgegenkommenderweise den Schreibtisch eines derzeit abwesenden Detective Inspector zur Verfügung gestellt, und dort hatte er den Morgen damit zugebracht, einen nichtssagenden Bericht nach dem anderen durchzugehen. Er streckte sich und überlegte, ob er sich noch eine Tasse von dem gräßlichen Kaffee zumuten oder lieber aufgeben und zum Mittagessen gehen sollte.
Er hatte sich gerade widerstrebend für Pflicht und Kaffee entschieden, als Jack Makepeace den Kopf zur Tür hereinsteckte. »Na, was gefunden?«
Kincaid schnitt ein Gesicht. »Nichts. Sie haben sie ja gelesen. Haben Sie inzwischen was von dem Team in Wargrave gehört?«
Makepeace grinste boshaft. »Zwei zerdrückte Bierdosen, diverse Kaugummipapiere, die Überreste eines toten Vogels und ein halbes Dutzend gebrauchte Kondome.«
»Der Parkplatz ist wohl sehr populär?«
»Er ist am Anfang eines Fußwegs, der ein Stück am Fluß entlang führt und dann einen Schwenk in den Friedhof macht. Eigentlich ist Parken dort verboten, aber die Leute halten sich nicht daran, schon gar nicht die Liebespärchen.« Makepeace zwirbelte seinen Schnurrbart. »Die Leute von der Spurensicherung sagen, daß der Kies für Reifenabdrücke viel zu weich und viel zu durchfurcht ist.«
»Das hab ich schon erwartet.« Kincaid betrachtete ihn gedankenvoll. »Jack, angenommen, die Leiche wurde in Wargrave in den Fluß geworfen, könnte sie dann bis zum Morgen nach Hambleden getrieben worden sein?«
Makepeace schüttelte den Kopf, noch ehe Kincaid fertig gesprochen hatte. »Nein, das ist nicht möglich. Die Strömung ist zu langsam, und außerdem ist gleich hinter Henley noch eine Schleuse.«
Kincaid, der an Julias kurzes Verschwinden aus der Galerie ^dachte, sagte: »Dann träfe das gleiche wohl zu, wenn Swann in Henley in den Fluß geworfen worden wäre?«
Makepeace, der bis jetzt am Türpfosten gelehnt hatte, richtete sich auf und ging zu der großen Karte, die an der Bürowand hing. Mit kurzem dickem Finger zeigte er auf das gewundene blaue Band, das die Themse darstellte. »Schauen Sie sich doch diese Windungen an, lauter Stellen, wo eine Leiche mit Leichtigkeit hängenbleiben könnte.« Er drehte sich nach Kincaid um. »Meiner Meinung nach wurde Swann höchstens ein paar hundert Meter von der Stelle entfernt, an der er gefunden wurde, ins Wasser gestoßen.«
Kincaid schob den knarrenden Stuhl zurück, streckte seine Beine aus und faltete seine Hände hinter dem Kopf.
»Wahrscheinlich haben Sie recht, Jack. Ich grabsche nur nach Strohhalmen. Was ist mit den Häusern am Fluß, oberhalb der Schleuse? Hat die Befragung der Leute irgendwas
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