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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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meisten Kinder zu hungrig und erschöpft waren, um sich zu wehren. Lewis’ Klasse blieb zusammen, und als ihr Bus den Bahnhof verließ, hielten die Kinder ihr Gepäck umklammert und starrten auf die roten Backsteingebäude der Hauptstraße. Bald jedoch hatten sie die Stadt hinter sich gelassen, und die Straße tauchte in eine sanft modellierte Hügellandschaft unter der Nachmittagssonne ein.
      Lewis hatte sich im vorderen Teil des Busses wiedergefunden, und um die panische Angst zu unterdrücken, die ihn angesichts all dieser Weite erfaßte, sagte er zum Fahrer: »Wo sind wir hier, Mister?«
      Der Fahrer, ein hagerer Mann mit ledernem Gesicht und widerspenstigem Haar, sah sich nach ihm um und antwortete lächelnd: »In Surrey, Junge.«
      Das sagte Lewis gar nichts. Er versuchte es erneut. »Wie weit ist das? Wohin fahren wir, Mister?«
      Ein neuer flüchtiger Blick des Fahrers traf ihn im Rückspiegel, und er antwortete: »Ungefähr zehn Meilen. Nicht weit. Wirst schon sehen.«
      Lewis sank auf seinen Sitz zurück und fand, daß der Mann einen komischen Akzent hatte. Die Worte klangen gedehnt, die Silben unartikuliert. Das einzig Gute war, daß sie nicht allzu lange in diesem Bus ausharren mußten. Das kurvenreiche, ständige Auf und Ab der Straße verursachte ihm ein seltsames Gefühl in der Magengegend, und er kämpfte mit dem Fensterverschluß, bis es ihm schließlich gelang, mehr Luft zu bekommen.
      Er versuchte die Augen zu schließen, aber das machte alles nur noch schlimmer, und er sah auf die riesige Weite des Landes hinaus, die sich zu seiner Rechten erstreckte.
      Der Fahrer, der Lewis’ Blick im Rückspiegel gefolgt war, sagte: »Das sind die Nord Surrey Downs, Junge. Alte Erde ist das. Diesen Weg sind Menschen seit dem finstersten Mittelalter gegangen.«
      Lewis empfand den Gedanken nicht als tröstlich.
      Kurz darauf bogen sie nach links in eine Straße ab, die kaum breiter war als der Bus selbst. Diese führte leicht bergab, zwischen dichten Hecken hindurch, schlängelte und wand sich weiter, und bei jeder Biegung hielt Lewis in panischer Angst die Luft an und kniff die Augen zu. Er war sicher, daß der Bus entweder in die Hecke rasen oder mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidieren würde, doch der Fahrer schien völlig sorglos, so daß sich Lewis schließlich etwas entspannte.
      Dann verschwanden die Hecken, und ein dreieckiges Stück Wiese tauchte vor ihnen auf. Einige wenige Häuser drängten sich an ihrem Rand, und etwas weiter oben am Hang auf der gegenüberliegenden Seite erhob sich ein Kirchturm. Der Bus fuhr an der Dorfwiese vorbei und in eine andere schmale Straße, die allerdings rechts und links von Häusern gesäumt war und schließlich vor einem langgestreckten, niedrigen Gebäude endete, auf dem in großen Lettern INSTITUT FÜR FRAUEN stand.
      Sie waren am Ziel.
     
    »Kit müßte inzwischen wieder in der Wohnung sein.« Kincaid nahm das Handy aus der Halterung, während sie in den Blackwell-Tunnel einfuhren.
      Er hatte das Verdeck des Midget offen gelassen, und Gemma hielt sich mit einer Hand die Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Haarband gelöst hatten, und blätterte mit der anderen den Stadtplan um. »Mit Kit ist alles in Ordnung«, versicherte sie ihm, ohne aufzuschauen. »Der Major hat ein Auge auf ihn.« Sie folgte mit dem Finger einer Linie auf dem Stadtplan. »Ich glaube, ich habe die Straße gefunden. Sieht allerdings auf der Karte winzig aus. Verläuft direkt über der Altstadt von Greenwich.«
      »Gut. So weit komme ich.«
      Sie waren auf dem Weg zu Annabelle Hammonds Schwester. Reg Mortimer hatte ihnen die Adresse gegeben.
      »Bist du bei Mortimer fündig geworden?« fragte Gemma.
      Sie tauchten aus dem Tunnel auf und erneut in gleißende Sonne. Sie hatte einen Wagen organisiert, der Mortimer nach Hause bringen sollte, während Kincaid mit Janice Coppin gesprochen hatte.
      »Absolute Fehlanzeige. Jedenfalls, was unsere Akten betrifft. Nicht mal eine Verkehrsverwarnung, denn offenbar fährt unser Mr. Mortimer nicht Auto.« Er blinzelte ins Gegenlicht und bog in westlicher Richtung zur Trafalgar Road ab. Die tiefstehende Sonne blendete ihn. »Was hältst du von seiner Story?«
      »Löchrig wie ein Schweizer Käse«, antwortete Gemma. »Annabelle Hammond soll die Party ihrer Schwester verlassen haben, weil es ihr nicht gutging ... und dann läßt er sie im Tunnel einfach allein?

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