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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Stalltür zu.
      Zu Hause hatte Lewis immer mit seinen Brüdern in einem'Zimmer geschlafen, und seine Mutter oder die Schwester waren stets dagewesen, wenn er nachmittags von der Schule nach Hause gekommen war. Jetzt war er zum ersten Mal in seinem Leben vollkommen allein.
      Er setzte sich auf die rauhe Decke und starrte auf das Licht der Laterne, das über die Wände flackerte. Obwohl der Raum die Hitze des Tages noch gehalten hatte, begann er zu frösteln. Er stand auf, machte die Laterne aus, rollte sich auf dem schmalen Bett zusammen und preßte die Faust fest gegen die Lippen, um Elend und Heimweh nicht hinauszuschreien.
      So schlief er tief und traumlos, bis die Morgensonne einen schwachen Schein um sein Fenster zauberte.
      Beim Aufwachen umfing ihn ein wohliges Gefühl, bis ihm klar wurde, daß er die Küchendüfte seiner Mutter nicht riechen und die Melodien nicht hören konnte, die sie stets sang, solange sie in der Küche hantierte. Die Wirklichkeit hatte ihn eingeholt, und er hatte plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden.
      Er schlug die Augen auf, blinzelte mühsam und starrte auf die Umrisse eines Schattens im Türrahmen. Als sein Blick klarer wurde, erkannte er in den verschwommenen Umrissen einen Jungen seines Alters, der jetzt durchs Zimmer ging und die Vorhänge zurückzog. Licht durchflutete den Raum, und Lewis erkannte, daß der Junge groß und schlank war und einen marineblauen Blazer mit einer Krawatte mit Schulemblem trug. Sein dunkles Haar war feucht und glatt zurückgekämmt. Seine Haut war blaß.
      »Die Köchin schickt mich, dich zu holen«, sagte der Junge mit einem Akzent, den Lewis nur aus dem Radio kannte. »Außerdem wollte ich dich kennenlernen. Konnte gestern abend nicht weg ... Mami hat mich den Laufburschen für Tante Edwina spielen lassen, während sie über den Krieg geredet haben.«
      Lewis richtete sich auf und rieb sich die Augen. »Über den Krieg? Ist jetzt Krieg?«
      Der Junge lehnte sich gegen den Fensterrahmen. »Nicht offiziell. Aber man erwartet für heute die Kriegserklärung. Tante Edwina hat im Wohnzimmer ständig das Radio an. Und die Köchin in der Küche. Tante Edwina hat mit meinem Dad gewettet, daß die Sache in der Luft verpufft. Für sie ist Hitler ein >dämlicher Sprüchemacher<. Aber ich glaube, da liegt sie falsch. Es gibt Krieg.«
      »Bist du auch deshalb hier?« fragte Lewis verwirrt. Er konnte sich nicht recht vorstellen, daß man den eleganten Jungen wie eine irregeleitete Paketsendung von zu Hause weggeschickt hatte.
      »Edwina ist meine Patentante«, klärte der Junge ihn auf. »Richtig heißt sie  Edwina Burne-Jones. Das Haus hier gehört ihr. Mami ist überzeugt, daß die Hunnen London und damit auch meine Schule bombardieren. Deshalb soll ich erst mal hier bleiben. Edwina sagt, daß du von der Isle of Dogs kommst. Die Firma meiner Familie hat dort ihren Sitz ... Hammond’s Teas.«
      »Liegt gleich um die Ecke bei meiner Schule«, rief Lewis aus. Er war glücklich, jemanden getroffen zu haben, mit dem er etwas gemeinsam hatte. »Dann bist du ein Hammond?«
      »Oh, entschuldige.« Der Junge stieß sich vom Fensterbrett ab und kam mit ausgestreckter Hand auf Lewis zu. »Ich hätte mich vorstellen müssen. Mein Name ist William, William Hammond.«
     
    Kincaid klopfte erneut an Gemmas Tür. Nichts rührte sich, obwohl ihr Wagen vor der gelben Doppeltür ihrer Garagenwohnung stand. Er war direkt vom Bahnhof King’s Cross zu ihr gefahren und hatte sich nicht vorher telefonisch angemeldet, was er selten tat. Jetzt erst merkte er, daß er gar nicht überlegt hatte, ob er überhaupt willkommen war.
      Die Vorstellung, in seine leere Wohnung zurückzukehren, wo ihn alles an das verpatzte Wochenende erinnerte, war zu unangenehm, als daß er gleich aufgegeben hätte. Er öffnete die schmiedeeiserne Tür, die in den Garten der Cavendishs führte. Vielleicht war Gemma, wie so oft, nur nebenan.
      Der von einer Mauer umgebene Garten lag in kühlen, nach Rosen duftenden, abendlichen Schatten, und als Kincaid den Plattenweg entlangging, der zum großen Haus führte, sah er Hazel vor einem Blumenbeet an der Terrasse knien. Sie trug alte Shorts und ein pinkfarbenes, ärmelloses Oberteil, das ihre leicht sommersprossigen Schultern freiließ.
      »Gemma ist mit Toby in den Park gegangen!« rief Hazel ihm zu. »Du mußt eine Weile mit mir vorlieb nehmen. Es sei denn, du willst hinterhergehen.«
      »Mit dir nehme ich

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