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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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und begann das Teegeschirr aufs Tablett zu stellen. »Aber Sie brauchen Fakten, Sergeant. Und ich habe nichts zu bieten als Spekulationen.«
      »Es hat mir sehr geholfen, mit jemandem zu sprechen, der Annabelle so klar gesehen hat, Mrs. Pargeter.«
      »Finden Sie?« Rachel Pargeter hielt inne, eine Hand an der Zuckerdose. »Ich bin nicht sicher, daß ich sie überhaupt klar gesehen habe. Ein guter Teil dessen, was ich gesagt habe, mag Unsinn sein, Wunschdenken von meiner Seite. Weil ich sie auch geliebt habe, wissen Sie ... und nicht zuletzt deshalb, weil sie mich an ihre Mutter erinnert hat. Und Liebe ist eine gefährliche Sache.«
     
    Gemma hörte die Musik, als sie aus dem Lift in Island Gardens trat. Es war Dixieland-Jazz, laut und swingend, und zweifelsfrei kam er weder aus dem Radio noch vom Band. Sie folgte dem Klang um den Kuppeleingang des Tunnels herum, und als sie um die Ecke in den Park selbst einbog, entdeckte sie die Band unter der Platane, die wie ein Wächter den Weg säumte, der in die Uferpromenade mündete.
      Der Stamm des Baumes teilte das Royal Naval College auf der gegenüberliegenden Uferseite in zwei symmetrische Teile, und die fünf Musiker standen im Schatten seines Blätterdachs. Alle waren mittleren Alters, hatten angegraute Bärte und sahen mit ihren Filzhüten und den über den Hosenbund ihrer Shorts hängenden Hemdschößen wie Geschäftsleute in unvollständiger Verkleidung aus. Gelegentlich warf ein Passant eine Münze in den aufgestellten Banjokasten.
      Gemma hörte ihnen kurz zu, konnte nicht widerstehen, sich im Rhythmus der Musik zu wiegen, und schlenderte dann zu einem Erfrischungskiosk weiter, um sich eine Orangeade zu kaufen. Der Park lag in seiner ganzen Weite so einladend vor ihr, daß sie beschloß, lieber quer hindurch als auf der Straße außen herum zu gehen.
      Sie nahm den Pfad, der mitten durch den Park führte, genoß das prickelnde kühle Getränk und bewegte sich unwillkürlich noch immer im Takt der Musik. Mittlerweile spielte die Band einen Benny-Goodman-Titel, den ihr Vater besonders gemocht hatte, als sie noch klein gewesen war. Sie summte die Melodie mit, betrachtete geistesabwesend die Mütter mit Kindern in Sportwagen und die Paare, die ausgestreckt auf Decken im Gras lagen.
      Vor ihr schleppte sich eine alte Frau im Schneckentempo den Weg entlang, und etwas weiter vorn lag ein Mann neben einem Hund ... Gemma brauchte in ihrer Verblüffung einen Moment, um zu begreifen, daß dieser Mann Gordon Finch mit Sam war. Sie blieb abrupt stehen und starrte ihn an wie eine Erscheinung aus dem Kindermärchen.
      Gordon lag auf dem Rücken und hatte die Augen geschlossen. Er trug T-Shirt und Jeans. Die Füße waren nackt, und neben dem Klarinettenkasten standen ordentlich nebeneinander seine Stiefel. Das Jackett hatte er - als Kissen gefaltet - unter den Kopf geschoben. Die Sonne kam hinter den Wolken hervor, und das Licht fiel gebrochen durch das Blätterdach und warf zuckende Reflexe auf sein Gesicht und seinen Körper.
      Gemma überquerte die Wiese und blieb neben ihm stehen. Sam hob den Kopf. Als sich der Hund bewegte, schlug Gordon die Augen auf und sah zu ihr auf. »Welch schöner Anblick ist denn dies?« sagte er, ohne eine Miene zu verziehen.
      »Was machen Sie denn hier?« fragte Gemma.
      »Heute nicht zu schlagfertigen Kontern aufgelegt, was?« Er setzte sich auf, hob die Arme über den Kopf und knackte mit den Fingerknöcheln. »Ist ein freier Park in einem freien Land, geschätzte Lady. Ich könnte Sie dasselbe fragen. Wollen Sie sich zu mir setzen?«
      Gemma sah sich um, als könnte sie irgendwo einen Stuhl entdecken, dann sank sie in die Hocke. »Ich muß mit Ihnen reden.«
      Gordon nickte in Richtung der Musikanten. »Ich warte auf eine Chance, die Herren abzulösen. Solange bin ich ganz der Ihre.«
      In seiner Spötterlaune wirkte er entspannter als zuvor.
      »Was gibt’s denn?« fragte er und betrachtete sie eingehender. »Alles in Ordnung?«
      Sein besorgter Ton traf sie völlig unerwartet. »Ich ... Ja, natürlich«, stammelte sie. »Mit mir ist alles in Ordnung. Aber...«
      »Dann setzen Sie sich doch anständig hin«, befahl er. »Sie sehen ja aus wie ein Sprinter an den Startblöcken.« Sie gehorchte vorsichtig, doch bevor sie die Beine überkreuzen konnte, legte Gordon eine Hand auf ihr Fußgelenk. »Und ziehen Sie die Schuhe aus. Man kann nicht im Gras sitzen und Schuhe anbehalten.« Er ergriff den

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