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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Dielenbeleuchtung. Blätter waren über die Schwelle geweht und lagen wie tote Vögel auf dem schwarzweißen Fliesenboden.
      Die Rosentapete in Diele und Treppenaufgang wirkte noch heruntergekommener, als er sie in Erinnerung hatte. Die Ränder waren aufgeworfen, und von der Decke hatte sie sich teilweise vollständig gelöst. Lydia hätte die herabhängenden Bahnen vermutlich mit fleckigen Petticoats verglichen, dachte er und zog eine Grimasse. Auf Kniehöhe prangten Kreideschmierereien der Kinder.
      Morgan vermutete, daß er dafür die Mietkaution in Anspruch nehmen konnte, war sich jedoch nicht sicher. Er ging weiter zur Rückseite des Hauses und machte sich innerlich auf noch mehr Schäden gefaßt. Zuerst kam das Wohnzimmer, kalt und leer, der Teppich abgewetzt und fleckig, das Kissen auf dem Fenstersims zerfetzt, die Füllung herausgerissen. Lydia hatte hier an schönen Vormittagen im warmen Schein der hereinströmenden Sonne gern gelesen. Er erinnerte sich, daß sie die Tapete ausgesucht hatte, mit ihrem verschlungenen Muster in Rosa, Grün und Dunkelgold. Damals hatte sich niemand um William Morris geschert. Es hatte Jahre gedauert, bis er wieder modern geworden war. Aber Lydia hatte sich nicht davon abbringen lassen. Sie hatte unbedingt etwas einbringen wollen, das an die Kunstgewerbe-Bewegung erinnerte.
      Sie hatten deshalb einen fürchterlichen Krach gehabt, denn für seinen Geschmack hatten selbst ihre harmlosen Dekorationsbemühungen nach dem Einfluß ihrer kostbaren literarischen Freunde gerochen, die er verachtete.
      Er ging weiter, den Flur entlang, an der Tür zu Lydias Arbeitszimmer vorbei. Was die kleinen Monster dort drinnen angerichtet hatten, würde vorerst unbemerkt bleiben, denn er brachte es nicht über sich, den Raum zu betreten, in dem Lydia gestorben war.
      Die Küche war noch das beste von allem, dachte er, als er die Tür am Ende des Korridors öffnete. Zuerst gelangte man in den kleinen Vorraum mit dem Telefon und den Regalen für die Kochbücher. Dann, um die Ecke, lag die eigentliche Küche, und dahinter der Eßraum mit seiner gewölbten Decke und den Fenstern zum Garten hinaus. Diesen Teil des Hauses hatten sie mit Hilfe eines Teils seines Erbes gemeinsam geplant und ausgebaut. Er war weiß, sauber und unbefleckt gewesen. Sein Spiegelbild starrte ihm aus der schwarz glänzenden Fläche des vorhanglosen Gartenfensters entgegen - eine große, hagere Gestalt, leicht gebeugt, mit dunklem, lockigem Haar, das Gesicht eine verschwommene, weißliche Fläche. Die Momentaufnahme prägte sich ihm ein, dann blinzelte er.
      Lydia und ihm war es gegeben gewesen, in Bildern zu denken. Er hatte ihren Zwang verstanden, Gedichte zu schreiben, so wie er fotografieren mußte. Es waren andere Dinge gewesen, die er nicht verstanden hatte: ihr Bedürfnis nach Dramatik und Atmosphäre, ihren Wunsch, in einer Gruppe zu existieren, ihre Obsession mit der Vergangenheit.
      Er sah hinauf zum Schlafzimmer im ersten Stock. Lange Zeit hatten sie ihre Meinungsverschiedenheiten im Bett gekittet, mit einer Leidenschaftlichkeit, die stets in totaler Erschöpfung und Tränen endete. Destruktiv mochte diese Liebe gewesen sein, aber er hatte seither nie wieder ein so intensives, süchtig machendes Gefühl gekannt. In seinen dunkelsten Augenblicken wünschte er, er hätte damals zuerst sie und dann sich umgebracht, sie beide aus ihrem Elend erlöst.
      Der Knall einer zufallenden Tür hallte durch den vorderen Teil des Hauses. Morgan blieb auf seiner Wanderung abrupt stehen und horchte. Vielleicht war es ein Nachbar, den das Licht im leerstehenden Haus alarmiert hatte? Das fehlte ihm gerade noch! Jetzt auch noch höflich Konversation machen zu müssen! Das ertrug er nicht, besonders nicht hier und nicht jetzt.
      »Morgan, Liebling?«
      Großer Gott, es war Francesca! Er hatte sie um keinen Preis aufregen wollen. Wie zum Teufel hatte sie ihn gefunden?
      »Hier bin ich!« rief er und beeilte sich, sie auf dem neutraleren Terrain der Diele abzufangen. Sie stand neben dem kalten Heizkörper am Fuß der Treppe, in den alten braunen Mantel gehüllt, den sie anzog, wenn sie die Hunde ausführte.
      Er packte sie bei den Schultern und sah in ihr angstvolles Gesicht hinab. »Fran, was machst du hier?«
      »Ich bin mit Monica in die Stadt gefahren, um Wolle zu kaufen. Das Indigo ist mir ausgegangen. Und als wir hier vorbeigekommen sind, habe ich den Wagen gesehen.«
      »Das Wollgeschäft ist

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