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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Krieges. Dann ist Freddie Haliburton gekommen, und alles ist anders geworden.« Sie drehte sich zu Kincaid um. »Er hatte ein Talent, Schwächen bloßzulegen und einem das Leben zur Hölle zu machen, wie ich es nie wieder bei einem Menschen erlebt habe.«
      »Sagten Sie nicht, er sei ums Leben gekommen?« fragte Kincaid.
      »Ja. War schon ein Wunder, daß er nicht gestorben ist, als sein Kampfflugzeug im Krieg abstürzte, wenn er mit derselben Verachtung für sämtliche Naturgesetze geflogen ist, wie er sie hinter dem Steuer eines Wagens demonstrierte. Alle paar Wochen ist er nach London gefahren, hat sich im Offiziersclub besinnungslos besoffen, und ich vermute, daß er dort noch anderen Neigungen gefrönt hat, die ich damals noch nicht verstanden habe.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht behaupten, in meinem Leben vielen wirklich bösen Menschen begegnet zu sein, aber Freddie ... Freddie war die Schlange im Paradies.«
     
    Lewis starrte aus dem Fenster des Schulzimmers in den regennassen Julimorgen hinaus und versuchte, nicht an andere Julivormittage zu denken ... An jenen Juli, als er und William gelernt hatten, Flugzeuge zu identifizieren ... Sommerwanderungen mit Mr. Cuddy in den Downsgemacht hatten ... sich vorgestellt hatten, sie seien römische Soldaten ... als er Irene beigebracht hatte, Edwinas Jagdpferd zu reiten. In seinem Bewußtsein gab es mittlerweile so viele verschlossene Ecken, Dinge, an die sich zu erinnern er nicht mehr ertragen konnte ... und dann war da immer noch das, was ganz am Rand des Bewußtseins lockte: das Zuhause, seine Mutter, sein Vater.
      Er wandte sich wieder den fünf Seiten Lateinübersetzung zu, die er laut Freddie noch vor Unterrichtsbeginn erledigt haben mußte; offiziell als Strafe für irgendein Vergehen, aber in Wirklichkeit nur, weil er wußte, wie sehr Lewis es haßte. Und ihn haßte.
      Die Tür ging auf, und Lewis erstarrte. Er wußte mittlerweile nie, wann das Lineal über seine Knöchel zischen oder die brutalen Finger in sein Ohrläppchen kneifen würden, bis das Blut spritzte.
      »Was für ein braver Junge du doch bist«, sagte Freddie hinter ihm, und Lewis hörte seinen rasselnden Atem. Die Flammen, die Freddies linke Gesichtshälfte verzehrt hatten, hatten auch das empfindliche Gewebe seiner Lunge angegriffen, und Lewis wünschte, das brennende Flugzeug hätte nicht mehr ausgespuckt als verkohltes Fleisch. Der Gedanke allein ließ ihn erschaudern.
      »Ist dir kalt?« sagte Freddie und trat einen Schritt näher. Dann fühlte Lewis, wie sich Freddies Hand auf seine Schulter legte, und er wappnete sich bereits gegen den Schmerz.
      Aber der Schmerz blieb aus. Dafür spürte er eine sanfte Streichelbewegung, und irgendwie war die noch schlimmer. »Nicht.« Er entzog sich der Berührung, und blieb mit den Füßen an den Stuhlbeinen hängen, als er davonstolpern wollte. Dann drehte er sich taumelnd zu seinem Peiniger um. »Fassen Sie mich nicht an!« erklärte er heiser, und atmete schwer gegen die Übelkeit an, die ihn zu überwältigen drohte.
      »Du hast mich verletzt, Lewis. Man könnte fast meinen, daß du mich widerlich findest«, sagte Freddie in der schleppenden Sprechweise, die nichts Gutes verhieß. »Schätze, zu Irene sagst du das nicht, wenn sie dich anfaßt. Das ist unfair, findest du nicht auch? Ich meine, daß du ihr hübsches Gesicht mir vorziehst.«
      »Lassen Sie Irene aus dem Spiel«, sagte Lewis, der nicht alles verstanden, aber die Drohung gehört hatte.
      »Oh, aber du bist doch derjenige, der Irene nicht in Ruhe läßt, Lewis. Ich habe gesehen, wie du sie ansiehst. Ich habe sogar gesehen, wie du sie berührst, wenn du glaubst, daß es niemand sieht. Und manchmalfrage ich mich, was Edwina tun würde, wenn sie davon wüßte ...« Er lächelte, und Lewis trat einen weiteren Schritt zurück.
      »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß sie das gut fände, mein Junge, oder? Du denkst doch nicht wirklich, Edwina hielte einen dahergelaufenen Gassenjungen für gut genug für ihre Nichte? Denn gut genug wirst du nie sein. Du bist und bleibst Dreck aus der Gosse, egal, welche Erziehung du genießt, egal, wie sehr du dich bemühst, wie ein Gentleman zu sprechen ...« Er beugte sich vor. »Du wirst nie einer sein!« zischte er. »Hast du das verstanden, Lewis?«
      Lewis starrte auf den Speicheltropfen, der sich in Freddies vernarbtem Mundwinkel gesammelt hatte, und hoffte verzweifelt, die Worte würden harmlos an ihm

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