Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie

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nachzudenken.«
      »Wie bei einem Gesellschaftsspiel?« Adam klang skeptisch.
      »Finden Sie das nicht wissenschaftlich genug? Sehen Sie es als Wortspiel«, forderte Vic ihn auf. »Soviel ich weiß, hatten Sie ebenfalls Ambitionen als Dichter.«
      Adam zog eine Grimasse. »Ich war nicht talentiert genug. Leider. Also bitte, ich versuch’s.« Er runzelte die Stirn. »Leidenschaftlich, launisch, lustig, klug, aber vor allem leidenschaftlich. Leidenschaftlich in Liebe und Haß - und besonders leidenschaftlich, wenn es um ihre Arbeit ging.«
      Vic nickte und nahm all ihren Mut zusammen, bevor sie sich auf gefährliches Terrain wagte. »Sie haben auch nach der Trennung von Morgan die Beziehung zu ihr aufrechterhalten, nicht wahr? Ich weiß«, fügte sie vorsichtig hinzu, »daß Sie es waren, der sie gefunden hat, sie beim ersten Mal gerettet hat. Was ich nicht weiß, ist, ob Sie ahnten, was sie vorhatte.«
      »Jedenfalls hat sie nicht mit Selbstmord gedroht, wenn Sie das meinen. Hat es nicht mal angedeutet. Aber ...«
      Vic fühlte, wie ihr Herz schneller schlug. »Aber sie verhielt sich sicher nicht normal, oder? Inwiefern war sie anders?«
      »Ruhig«, erwiderte Adam. »Viel zu ruhig ... fast wie in Trance. Aber das ist mir damals gar nicht aufgefallen. Sie vergaß mitten im Satz, was sie sagen wollte, und lächelte einfach.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte wissen müssen ...«
      »Wie denn?« protestierte Vic. »Es sei denn, Sie hätten mit Depressionen Erfahrung gehabt.«
      Adam schüttelte den Kopf. »Erst heute habe ich so oft damit zu tun, daß ich schon die ersten Symptome erkenne. Aber ein bißchen gesunder Menschenverstand hätte auch damals genügen sollen.« Seine Hände strichen rastlos über die Knie. »Wenn ich mehr an Lydia anstatt an mich gedacht hätte ...«
      »Wie meinen Sie das?« fragte Vic verwirrt.
      »Ich hatte andere Prioritäten, wissen Sie.« Adam vermied es, Vic anzusehen.
      »Ich weiß nicht, was Sie damit ausdrücken wollen.«
      »Es klingt alles so absurd ... lächerlich. Aber was soll’s? Heute wie damals stehe ich als Idiot da.« Er preßte die Lippen aufeinander. »Ich war froh, daß Morgan sie verlassen hatte. Ich dachte, sie würde bald darüber hinwegkommen und es könnte vielleicht wieder so zwischen uns werden, wie es am Anfang war.«
      »Am Anfang? Sie und Lydia?« Vic hörte die Überraschung aus ihrer Stimme und verfluchte sie. Sie konnte es sich jetzt nicht leisten, ihn zu verstimmen. »Natürlich«, fügte sie hastig hinzu. »Was wäre natürlicher gewesen? Und als sie gar nicht so unglücklich schien, dachten Sie ...«
      »Es ist alles sehr lange her. Ich kann nur hoffen, daß ich im Alter nicht dümmer geworden bin.« Er stellte sein Glas so entschieden auf den Tisch zurück, daß man annehmen konnte, er habe genug vom Reden.
      Er ist genauso alt wie Nathan, dachte Vic, und trotzdem macht er plötzlich den Eindruck, als ob das Leben ihn vernichtet habe.
      »Adam«, sagte sie, bevor er ihr Gespräch beenden konnte. »Was ist mit Lydias zweitem Selbstmordversuch? Hatte sie da dieselben Symptome? Es muß doch auch Anzeichen gegeben haben ...«
      »Das kann ich nicht beurteilen«, unterbrach er sie. »Ich war damals in Kenia. An einer Missionsschule.« Er stand auf, trat an das Bücherregal hinter dem kleinen Sofa und nahm etwas heraus. »Einer meiner Schüler hat das für mich gemacht.« Er hielt Vic eine kleine Keramikvase hin. Sie hatte eine glatte Glasur in der Farbe sonnengebräunter Haut. Eine schwarz aufgemalte Antilope sprang im ewigen Reigen über ihre leicht bauchige Oberfläche.
      »Bezaubernd.« Vic nahm ihm die Vase aus der Hand. »Erinnert mich an eines von Lydias Gedichten. Es hat den Titel >Gras<. Ich habe mich immer gefragt, wie sie auf das Thema gekommen ist. Haben Sie ihr darüber geschrieben?«
      Adam zuckte die Schultern. »Gelegentlich. Die Nächte konnten sehr lang sein. Vermutlich hat sie die Briefe nicht aufbewahrt. Oder irre ich mich?«
      »Falls doch, habe ich sie bei meinem Material nicht gefunden.« Vic wußte nicht, ob ihn das tröstete oder verletzte. Dafür hatte sie jetzt einen Hoffnungsschimmer. »Lydia hatte Ihnen nicht zufällig auch geschrieben?«
      »Ja, hat sie. Aber kurz vor meiner Rückkehr nach England hat es in der Mission gebrannt. Ich habe meine gesamte persönliche Habe verloren - darunter auch Lydias Briefe. Tut mir leid für Sie«, fügte er hinzu. Vic merkte