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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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tatsächlich einen erwerben sollte? Mädchen an einem trostlosen Gymnasium unterrichten und hoffen, daß eine von ihnen die Gabe besitzt, die ich nicht habe?
      Weißt Du, wie wenigen Frauen es gelingt, Lyrik zu veröffentlichen? Und wenn, was die Kritiker mit ihnen machen? Ich hätte vermutlich doch die Stelle in der Apotheke annehmen sollen. Dann hätte ich einen netten Kerl kennengelernt, wäre freitags mit ihm ins Kino gegangen, und wenn er hartnäckig genug gewesen wäre, hätte ich ihn zum Tee mit heimgebracht. Dann hätten Ehestand und Babys am Horizont gewinkt, und ich wäre die Gespenster los.
      Arme Mami, verzeih mir diesen elenden Erguß. Ich komme mir klein und mies vor, Dich damit zu belasten, aber ich kann ohne Hoffnung und Trost nicht weitermachen. Sag mir, daß diese Anwandlungen vorübergehen, daß es aufhört zu regnen, daß meine schlimme Erkältung vergeht, daß irgend jemand irgendwo eines meiner Gedichte veröffentlicht.
    Deine Lydia
     
     

* 7
     
    Sanft schließe ich dem Tag, den ich geliebt, die Augen.
      Und glätte seine ruhige Stirn und falte seine magren toten Hände.
     
    Rupert Brooke aus >Tag, den ich geliebt<
     
    Vic dachte oft daran, wie lieb ihr diese Tageszeit war. Kit schlief, und das Haus war still und ruhig. Nur ein gelegentliches Knarren zeigte an, daß es atmete. Sie saß am Küchentisch, vor sich einen Becher heiße Milch, und dachte einfach nur über ihren Tag nach. Es war ein Ritual, das sie sich in den letzten Jahren mit Ian angewöhnt hatte, um das Bett so lange zu meiden, bis sie sicher sein konnte, daß er eingeschlafen war. Jetzt genoß sie diese Stunde einfach um ihrer selbst willen.
      Für eine Renovierung der Küche hatte immer das Geld gefehlt. Sie hatte sich daher mit Farbe, Pinsel, Schnäppchen von Trödelmärkten und viel Phantasie geholfen, was ihr erstaunlich viel Spaß gemacht hatte. Herausgekommen waren dabei blaue Schränke, sonnenblumengelbe Wände, Krüge und Bierhumpen vom Trödelmarkt in den Regalen und auf den Fensterbrettern. Die walisische Anrichte mit dem blaugelben italienischen Keramikgeschirr hatte sie für wenig Geld bei einer Haushaltsauflösung erworben - zusammen mit dem Tisch mit herunterklappbaren Seitenteilen aus Eiche und ihrer Tiffanylampe. Jedenfalls bezeichnete sie sie als >ihre Tiffanylampe<, auch wenn sie vermutlich nur eine billige Imitation war.
      Ihre Mutter schlug, immer wenn sie sie besuchte, beim Anblick der Küche die Hände über dem Kopf zusammen. Als Fetischistin hygienisch sauberer, synthetischer Oberflächen mit einer stillen Leidenschaft für technisches Gerät (ihre jüngste Neuerwerbung war ein Müllzerkleinerer) hatte Eugenia Potts keinerlei Verständnis für die Genügsamkeit der Tochter. Ein Glück, dachte Vic, daß ihr eine Spülmaschine oder ein überdimensionaler Kühlschrank kein Herzenswunsch war, denn ohne Ians Gehalt waren Neuanschaffungen in weite Ferne gerückt.
      Einen Moment lang gestattete sie sich den Luxus zu überlegen, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wäre sie bei Duncan geblieben. Würden sie in dem Apartment in Hampstead wohnen, das er ihr geschildert hatte? Mit dem Ausblick auf den Sonnenuntergang über den Dächern? Würde sie an einer Fakultät der Londoner Universität mit weniger komplizierten Kollegen lehren? Hätten sie und Duncan ihre Schwierigkeiten ausgeräumt? Hätte sich ihre Eifersucht auf seine Arbeit in dem Maße gelegt, wie sie von ihrer eigenen in Anspruch genommen wurde?
      Einer Sache war sie sich ziemlich sicher. Sie hätte unter diesen Umständen nie eine Biographie über Lydia Brooke angefangen, und mittlerweile neigte sie fast zu der Ansicht, daß das ein Segen gewesen wäre.
      Selbst nach so vielen Jahren war es ein merkwürdiges Gefühl, ihn an der Seite einer anderen Frau zu erleben. Sie hatte keine Eifersucht verspürt - im Gegenteil, sie fühlte sich zu Gemma hingezogen -, und doch war da die leise Beklemmung gewesen, verdrängt worden zu sein.
      Wie ehrlich war sie hinsichtlich ihrer Gründe, ihn anzurufen, mit sich selbst gewesen? Oh sicher, sie hatte kriminalistischen Rat gebraucht, und er hatte sich als hilfsbereit erwiesen. Jetzt allerdings, da er in puncto Lydia getan hatte, was er glaubte tun zu können, merkte sie, daß sie sich seine Freundschaft gern erhalten wollte - um Kits willen und um ihrer selbst willen. Kit hatte nur wenige männliche Vorbilder in seiner Umgebung, und da Ian jetzt ...
      Das Telefon klingelte. Sie

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