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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Ich habe nachgedacht.«
      »Habe ich fast vermutet. Möchtest du dich mir mitteilen?«
      Sie runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht. Bin nicht sicher, daß ich die richtigen Worte finde.«
      »Ist es wegen Vic?« wollte er ängstlich wissen.
      Kincaid, der auf Vorwürfe gefaßt war, sah überrascht, daß Gemma lächelte. »Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, aber ich mag sie. Obwohl zwischen Euch noch was ist - es stört mich nicht. Keine Ahnung, weshalb ich solche Angst vor der Begegnung mit ihr hatte. Ich dachte, sie würde mich völlig plattmachen.«
      »Plattmachen? Vic? Warum denn das?«
      Gemma zögerte, schaute zur Seite und sagte stockend: »Du weißt, ich habe mein Abitur gemacht und mich dann aber für die Polizeiakademie und gegen die Uni entschieden. Ich dachte, ich könnte gar nicht mit ihr reden - wir hätten nichts gemeinsam. Sie mit ihrer Bildung und der Karriere an der Uni ...«
      »Warum um Himmels willen sollte sie ...«
      »Nein, laß mich ausreden.« Gemma sah ihn strafend an. »So ist es dann überhaupt nicht gewesen. Was sie gesagt hat, konnte ich sehr gut nachvollziehen. Und komischerweise habe ich vermutlich einiges verstanden, was du gar nicht begriffen hast.«
      »Wovon redest du?« fragte er verwirrt.
      »Du hast gesagt, das Ende ihres Buchs über Lydia sei überhaupt nicht wichtig. Du hast nicht kapiert, daß gerade das Ende entscheidend ist. Für die Wahrhaftigkeit der Biographie.«
      Als er sie nur verständnislos ansah, schüttelte sie resigniert den Kopf. »Sieh es mal so. Vic hat recht. Frauen brauchen Geschichten über Frauen, die etwas erreicht haben. Kannst du dir vorstellen, wieviel es für mich bedeutet hätte, mich an den Erfahrungen einer anderen Frau orientieren zu können, als ich damals beim Yard angefangen habe?
      Die Frauen, die beim Yard waren, konnte ich an den Fingern einer Hand abzählen. Und alle hielten sich an die Spielregeln der Männer. Ich hatte was anderes im Sinn. Ich dachte, ich könnte ein guter, vielleicht sogar ein besserer Polizist werden, gerade weil und nicht obwohl ich eine Frau bin ... Und dann gab es Momente, da hätte ich beinahe alles hingeschmissen. Niemand hat mich ermutigt, niemand hat mir gesagt, daß ich vielleicht einen besonderen Beitrag leisten kann, daß ich nicht komplett verrückt bin, daß ich es schaffe.«
      »Das tut mir wirklich leid«, murmelte Kincaid. Ihre Heftigkeit hatte ihn erschreckt. »Ich hatte keine Ahnung, daß du dich so mies gefühlt hast. Du hast nie ein Wort gesagt.«
      »Darüber spricht man eben nicht.« Sie lächelte humorlos. »Gerade deshalb sind die Geschichten anderer Frauen um so wichtiger - die von Lydia eingeschlossen. Wenn Lydia allerdings Selbstmord begangen hat, dann ändert das alles. Ich will nicht behaupten, daß ihre Geschichte damit wertlos wird. Sie wird einfach nur völlig anders.«
      »Das verstehe ich nicht. Sie hätte doch am Ende dasselbe geleistet.«
      »Nur hätte es nicht dieselbe Bedeutung gehabt. Selbstmord ist das Eingeständnis einer Niederlage. Damit wäre klar, daß sie ihren Traum nicht hat verwirklichen können, und wenn sie’s nicht konnte, können wir es auch nicht.«
      »Soll das heißen, daß ich Vic nicht hätte auffordern sollen, die Sache auf sich beruhen zu lassen?«
      Gemma nahm endlich einen Schluck aus ihrem Weinglas. »Nicht unbedingt. Es ist egal, was du gesagt hast. Für Vic darf Lydia keinen Selbstmord begangen haben, also kann sie es nicht auf sich beruhen lassen. Das heißt es. Und das hast du nicht verstanden.«
      »Was sonst hätte ich tun können?« entgegnete er trotzig. »Du warst doch diejenige, die dagegen war, daß ich mich überhaupt mit der Sache befasse.«
      Gemma zuckte die Schultern. »Ist doch wohl noch erlaubt, seine Meinung zu ändern, oder?«
     
    Newnham 30. Januar 1963
      Liebe Mami,
    manchmal glaube ich, Gedichte zu schreiben ist ein Fluch, keine Gabe. Die Worte verfolgen mich im Schlaf, verfolgen mich, wenn ich studieren sollte, lauern überall wie schwarze, kalte Ungeheuer, die sich nicht von mir zähmen lassen wollen. Sechs abschlägige Bescheide in dieser Woche, ohne ein Wort der Ermutigung. Warum kann ich es nicht lassen und mich statt dessen auf mein Studium konzentrieren? Und draußen regnet es unaufhörlich.
      Ich habe einiges schleifen lassen und rudere jetzt verzweifelt, mein fehlendes Wissen aufzuholen. Aber was soll ich mit dem akademischen Titel anfangen, so ich

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