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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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ausgekotzt. Noch bin ich wie betäubt. Ich wünschte, der Zustand würde andauern. Aber ich glaube nicht daran.«
      »Nein«, sagte Adam und sank in den Liegestuhl. »Das glaube ich auch nicht. Aber das Schlimmste ist vorbei.«
      »Wirklich? Kann ich mir nicht vorstellen.« Nathan fröstelte und zog die Decke höher. »Denn inzwischen hat der verdammte Selbsterhaltungstrieb wieder seine häßliche Fratze gezeigt. Das Vergessen hätte ich ihm bei weitem vorgezogen. Schade, daß du deinen Pfarrer Denny geschickt hast, damit er mein Gewehr einkassiert.«
      Adam hatte den Pfarrer von Grantchester in seiner panischen Angst angerufen und um Hilfe gebeten, bis er seine Gemeindearbeit soweit delegiert hatte, daß er sich selbst um Nathan kümmern konnte.
      »Ich möchte deine Töchter anrufen, Nathan«, bat Adam wie schon am Vortag. »Würde dir guttun, sie bei dir zu haben.«
      »Nein.« Nathan schüttelte den Kopf. »Ich ertrage sie jetzt nicht. Außerdem können die beiden sich sowieso nicht vorstellen, daß ein Mann über Dreißig empfinden kann ... was Vic und ich ...«
      »Leidenschaft«, sagte Adam. »Die Jugend glaubt sie für sich gepachtet zu haben. Nur die Erfahrung wird sie eines Besseren belehren. Wir sind doch genauso gewesen.«
      »Wirklich?« Nathan musterte Adam. »Du hast Leidenschaft für Lydia empfunden, stimmt’s?«
      »Ja. Aber das Alter hat sie gedämpft. Man lernt, sich auf andere Dinge zu konzentrieren, sogar Freude daran zu haben. Und trotzdem wünschte ich, sie hätte an jenem letzten Tag mich angerufen. Hat lange gedauert, bis ich dir das verzeihen konnte.« Adam sah, wie Nathans Augen groß vor Erstaunen wurden. Adam war selbst am meisten überrascht. Er hatte nie die Absicht gehabt, Nathan das zu sagen, niemals; und besonders nicht jetzt.
      »Ich hatte keine Ahnung.«
      »Spielt jetzt keine Rolle mehr. Habe mir nur immer eingebildet, ich hätte sie vielleicht umstimmen oder sie irgendwie trösten können ...«
      »Du glaubst, sie hätte dir gesagt, was sie vorhatte? Oder denkst du, du hättest was gespürt, das mir nicht aufgefallen ist?« fragte Nathan leicht gereizt.
      »Ist dir denn jetzt rückblickend nicht klar, daß sie längst alles geplant hatte?« entgegnete Adam.
      »Nein, ist es mir verdammt noch mal nicht!« Nathan stieß die karierte Decke von sich. »Vic hat mich dasselbe gefragt. Aber Lydia klang vollkommen normal an jenem Tag, vielleicht ein bißchen aufgeregt, insistierend. Mein Gott, wenn ich daran denke, wie froh ich war, daß es dir erspart geblieben ist ...« Nathan verstummte.
      In der folgenden Stille hörte Adam plötzlich die Spatzen in der Hecke zwitschern und fühlte die Wärme der Sonne auf seinem Gesicht. Dann sagte er: »Trotzdem. Es hätte mir wenigstens das Gefühl gegeben ... ihr nah zu sein. Ich kann gut verstehen, wie dir zumute war, als du ... Vic nicht mehr sehen konntest.«
      »Vic und Lydia«, sagte Nathan etwas atemlos. »Lydia und Vic. Manchmal kann ich sie schon nicht mehr auseinanderhalten, nicht trennen, was mit ihnen geschehen ist.«
      »Hm ... Ist doch komisch, daß Vic auch Herzprobleme gehabt haben soll ...« Adam dachte an Vics Besuch im Pfarrhaus und ihr Gespräch. »Diese vielen Fragen, die Vic wegen Lydias Selbstmord gestellt hat - sie hat nicht daran geglaubt, oder?«
     
    »Bilden Sie sich bloß nichts ein. Ich weiß, was Sie Vorhaben«, verkündete Chief Superintendent Denis Childs. »Sobald auch nur die kleinste Beschwerde von der Kripo in Cambridge bei mir landet, pfeife ich Sie gnadenlos zurück.« Sein Stuhl knarrte, als er sich zurücklehnte. »Seien Sie kein Idiot, Mann. Ich kenne Alec Byrne. Er ist ein guter Polizist. Was man von seinem Vorgänger nicht unbedingt behaupten kann. Lassen Sie ihn seine Arbeit tun.«
      »Ich habe nicht die Absicht, ihn davon abzuhalten«, bekannte Kincaid, dankte seinem Chef und verließ dessen Büro. Und das ist nicht mal gelogen, dachte er, als er die M9 nach Cambridge nahm. Gleichzeitig wußte er jedoch, daß Alec Byrne nur mit halbem Herzen bei der Sache war.
      Die Ledertasche mit Vics Unterlagen und ihrem Manuskript lag neben ihm auf dem Beifahrersitz des Midget. Eine exakte Kopie des Materials lag in seiner Wohnung. Es stand einer Rückgabe an Byrne also nichts mehr im Wege. Eine ganze Nacht hatte er gebraucht, um sich mit Vics Arbeit vertraut zu machen.
      Lydia Brookes unfertige Biographie las sich so flüssig und spannend wie ein Roman.

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