Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
damaligen Zeit Rang und Namen hatte: Virginia Woolf, James und Lytton Strachey, Geoffrey und Maynard Keynes, die Schwestern Darwin. Die Liste könnte man endlos fortsetzen.«
      »Er sieht irgendwie so ... jungenhaft unschuldig aus«, bemerkte Gemma, die den Fototeil in Geoffrey Keynes’ Briefsammlung durchblätterte.
      Hazel lachte. »Die Vorkriegsidylle von damals wird immer sehr nostalgisch verbrämt. Aber so unschuldig und heil war diese Welt, glaube ich, gar nicht. Unter diesen Blazern und weißen Gartenkleidern hat sich sicher auch viel Haarsträubendes verborgen. Und Rupert war mehr als nur ... kompliziert, was sein Sexualleben betraf.« Sie gähnte und reckte sich.
      »Bleib noch zu einer letzten Tasse Tee. Wir machen das Kaminfeuer an und legen Musik auf. Dabei können wir uns Rupert-Brooke-Gedichte vorlesen.«
      Gemma schüttelte den Kopf. »Danke, Hazel, lieber nicht. Toby vergißt sonst, wie es ist, in seinem eigenen Bett einzuschlafen, und außerdem ...« Sie klopfte auf die Bücher in ihrem Schoß. »... habe ich ’ne Menge zu lesen.«
     
    Llangollen, Wales 30. September 1963
      Liebe Mami,
    bitte verzeih mir, daß ich Dir die Neuigkeit auf diesem Weg mitteile. Bestenfalls ist es unfair und schlimmstenfalls feige von mir. Besonders, da ich weiß, daß Du für mich immer nur das Beste willst. Es kam alles so plötzlich. Wir haben einfach den Sprung ins kalte Wassergewagt und die Konventionen beiseite gelassen.
      Morgan und ich haben gestern geheiratet, auf dem Standesamt in Cambridge.
      Ich weiß, was Du denkst, geliebte Mami ... daß wir uns kaum kennen, daß wir völlig von Sinnen sein müssen. Aber wir kennen uns über ein Jahr, auch wenn wir erst in den letzten Monaten festgestellt haben, daß wir das Leben mit derselben, Leidenschaft und Intensität sehen, daß wir dasselbe Ziel haben - nämlich dieses Leben ehrlich zu dokumentieren und es so gut zu leben, wie wir können.
      Und was die Vernunft angeht, so haben wir sie gerade erst wiedergefunden. Mit Morgan sehe ich vieles mit völlig neuen Augen. Die Eindrücke sind viel intensiver. Oh Mami, seine Fotos werden Dir gefallen! Er ist so genial, so talentiert. Ich will ihm Stütze und Muse sein, wie er dasselbe für mich ist.
      Ich schreibe richtig gute Gedichte. Und Morgan hat mir gezeigt, daß der Rest - all das akademische Brimborium und die hohlen Traditionen des Universitätslebens - nur hinderlich ist, wenn man wirklich das Beste geben will. Nächste Woche kehren wir beide nicht an die Universität zurück. Wir haben statt dessen beschlossen, zu leben und unserer Berufung nachzugehen. Wir haben eine kleine Wohnung in Cambridge gefunden - etwas größer als ein Zimmer, aber es ist unser -, und wir haben unsere Habseligkeiten dort schon untergebracht. Morgan hat ein Angebot, als Assistent in einem Fotostudio in der Stadt zu arbeiten. Die Tätigkeit ist zwar langweilig, aber sie gibt ihm die Freiheit, nebenher seine eigenen Fotos zu machen.
      Dr. Barrett war sehr verständnisvoll und hat freundlicherweise angeboten, mich als Tutorin einzusetzen. Wenn ich nicht arbeite, werde ich schreiben, schreiben und schreiben.
      Keine Sorge, Morgan ist sehr praktisch. Unsere Mittel sind beschränkt, aber wir schaffen es. Und solange wir etwas zu essen und anzuziehen haben, wen kümmert’'s?
      Ich verspreche, Du wirst ihn mögen, Mami. Hinter seiner etwas düsteren, dunklen Stirn verbirgt sich ein wunderbarer Sinn für Humor, und er hat eine Zärtlichkeit, die ich nur von Dir kenne. Ergibt mir das Gefühl, sicher und bewundert zu sein.
      Freu Dich für mich ...
    Lydia
     
     

* 11
     
    Wollte, wollte Gott, du fändest Trost.
     
    Rupert Brooke aus einem Fragment
     
    Adam entdeckte Nathan, in der Sonne sitzend, im Garten, mit einer Decke über den Knien, wie ein Greis.
      Er überquerte den Rasen. Seine Schuhe hinterließen im silbernen Tau eine dunkle Spur im Gras. Er kauerte sich neben Nathans Stuhl. Nathan war bleich, aber die Blässe war längst nicht mehr so ungesund wie am Tag zuvor. Nur die Augen waren noch glanzlos wie Kiesel im getrockneten Flußbett.
      »Wie geht es dir?« fragte er liebevoll.
      »Wenn du meinst, ob ich nüchtern bin, lautet die Antwort ja«, erwiderte Nathan, seufzte und wandte den Blick ab. »Ich muß mich bei dir entschuldigen, Adam. Setz dich doch.« Er deutete auf den anderen Liegestuhl. »Wenn du die Wahrheit wissen willst ... Ich fühle mich wie von einer riesigen Welle

Weitere Kostenlose Bücher