Deborahs Totenacker
Glas mit dem schweren Boden halbvoll, nahm den Geruch auf, hob das Glas an und schloß für einen Moment die Augen.
Er trank nicht.
Plötzlich war die Stimme da. So laut und volumenreich, daß sie das gesamte Lokal ausfüllte. »Salute, Signore Carlo Brandi!« Da wußte er, daß sie gekommen waren!
***
Carlo stellte das Glas wieder ab. Hätte er jetzt getrunken, bei Gott, der Grappa hätte ihm wie Essig geschmeckt. Er spürte den Druck hinter den Augen und im Magen, und er drehte sich so langsam, als läge auch auf seinem Rücken ein starkes Gewicht.
Er hatte die Tür bewußt nicht abgeschlossen. Sie würden überall hineinkommen, und es war besser, wenn sie den Eingang seines Lokals nicht zerstörten, er wollte sein Lebensglück nicht verletzt wissen.
Sie waren hineingeschlichen, und sie waren zu zweit. Beide trugen dunkle Wintermäntel, aber nur einer der Kerle war bewaffnet. Zumindest zeigte er seine Waffe offen. Es war ein Revolver, auf dessen Lauf ein Schalldämpfer geschraubt worden war. Der Mann war kompakt, die Schultern halbrund. In seinem Mantel sah er aus, als würde er noch zahlreiche Waffen unter dem Stoff tragen. Auf dem Kopf trug er eine Strickmütze, die seine Haare vollständig verdeckte und sein Gesicht breit aussehen ließ.
Der Kerl sah nicht lächerlich aus, trotz der Mütze, er war der Henker des Duos. Der zweite im Bunde machte auf elegant. Der dunkle Mantel, der Kragen war hochgestellt, ein heller Schal zeichnete sich im Ausschnitt ab. Dünne Lederhandschuhe bedeckten die Finger, aber die trug auch der Henker. Das Haar hatte der Mann nach hinten gekämmt. Es sah so glatt aus wie eine schwarze Eisbahn.
Carlo Brandi hatte die beiden noch nie gesehen. Es waren nicht diejenigen, die ›harmlos‹ Kontakt aufnehmen, die hier gehörten zur brutalen Truppe, die abrechnete. Das Reden übernahm der Elegante, nachdem er sich im Lokal umgeschaut hatte und nickte. »Nett hast du es hier, Carlo, wirklich nett.«
Brandi schwieg.
Der Sprecher wandte sich ihm direkt zu und zeigte ein kaltes Lächeln.
Die Stirn hatte er gerunzelt, und er sah aus, als müßte er über etwas nachdenken. »Schade, daß du davon nichts mehr haben wirst, Carlo, wirklich schade.«
»Wieso nicht?«
»Nun ja, du hast dich gegen uns gestellt. Du hast dich ziemlich bockig gezeigt.«
Brandl holte Luft. Er spürte die Flamme der Wut in sich hochsteigen, und er hatte große Mühe, sich zu beherrschen. Er hätte sich am liebsten auf den Sprecher gestürzt und ihn niedergeschlagen, doch er wußte genau, daß so etwas tödlich enden konnte. »Es ist mein Lokal.«
»Das stimmt.«
»Was wollt ihr?«
Der Elegante behielt sein Lächeln bei. »Wir sind gekommen, um uns das bestätigen zu lassen.« Aus der Innentasche seines Mantels holte er ein Papier hervor, das er auf einen Tisch legte und sorgfältig glättete. »Hier ist das Schreiben, das dir garantiert, daß du auch in Zukunft hier arbeiten und den Menschen durch dein Essen Freude bereiten kannst. Nicht mehr und nicht weniger.« Der Mafioso trat zurück und rückte Brandi sogar einen Stuhl zurecht. »Du kannst dich setzen, wenn du unterschreibst, Carlo.«
Brandi schluckte schwer. Er atmete durch die Nase. Das Schnaufen war zunächst das einzige Geräusch in der Stille. Dann fragte er: »Was ist, wenn ich es nicht tue?«
Der Elegante überlegte. Er strich dabei über seinen leicht gekrümmten Nasenrücken. »Du kochst doch gern, nicht wahr?«
»Das schon.«
»Hervorragend. Deine Gäste kommen wegen deiner Kochkunst. Auch Freunde von mir haben hier schon gegessen. Sie waren begeistert, was bei ihnen, die sehr verwöhnt sind, etwas heißt. Es wäre doch schade, wenn du plötzlich aufhören müßtest, diese herrlichen Gerichte zu kochen. Deine Soßen sind unübertroffen. Sie schmecken vorzüglich, ohne zu fett zu sein. Das ist eine Offenbarung, Carlo. Es wäre wirklich schade, wenn es anders käme.«
»Warum sollte ich nicht mehr kochen können?«
Der Mafioso hob die Schultern. »Da kann ich mir verschiedene Möglichkeiten vorstellen. Stell dir vor, du bist verletzt, schwer verletzt, sogar. Da kannst du dann nicht in der Küche stehen und dich um deine Gäste kümmern.«
»Stimmt.«
»Ich sehe, wir verstehen uns. Damit so etwas nicht eintritt, solltest du unterschreiben. Es ist deine letzte Chance. Wir haben wirklich Geduld mit dir gehabt, Carlo, das mußt du zugeben. Aber niemand ist unersetzlich, auch ein Künstler wie du nicht.«
Carlo hatte verstanden, auch wenn die
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