Deborahs Totenacker
Drohung so raffiniert verpackt worden war. Sie würden es in dieser Nacht durchziehen wollen. Sie waren gekommen, um alles klarzumachen. Es mußte zu einer Entscheidung kommen, und ihm war klar, daß seine Existenz an einem seidenen Faden hing. Auch wenn sie ihn nicht umbrachten, sie kannten Mittel und Wege, um ihn außer Gefecht zu setzen, schwer zu verletzen, zu vernichten, für immer zum Krüppel zu machen.
»Nun?«
Brandi schüttelte den Kopf. »Ihr wollt doch nur mein Lokal haben. Ihr wollt das haben, was ich mir in all den Jahren aufgebaut habe.« Er nickte. »Ja, eine Unterschrift, mehr nicht. Dann bin ich aus dem Rennen.«
»Nein, nein, du wirst auch weiterhin kochen. Du wirst auch weiterhin deine Gäste erfreuen können. Wir wären sogar dafür, daß du zwei Wochen in der Heimat Urlaub machst, ohne einen Verdienstausfall zu erleiden, denn das Gehalt zahlen wir ja.«
»Ja, das Gehalt«, sagte Carlo bitter.
»Es wird hoch sein. Für einen Spitzenkoch wie dich angemessen. Wir werden dir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Wenn du etwas brauchst, es wird besorgt. Wir gehen mit unseren Mitarbeitern sehr gut um. Nichts wird sich hier ändern.«
»Bis auf eine Kleinigkeit«, sagte der Koch.
»Ach ja?«
»Mir wird der Laden hier nicht mehr gehören.«
Der Elegante lächelte wieder. »Ich an deiner Stelle würde in den nächsten beiden Minuten unterschreiben. Unsere Geduld ist nämlich nicht unendlich.«
»Und wenn ich es nicht tue?«
»Zerhacke ich dir beide Hände.« Der Elegante zeigte sein wahres Gesicht. »Ich kann sie dir auch auf die Tischplatte nageln. Sie werden in Blut schwimmen, wenn ich die Messer darin stecken lasse.« Er griff in beide Taschen und holte zwei Springmesser hervor. Beinahe gleichzeitig sprangen die Klingen heraus. Der Stahl schimmerte im Licht der Lampen und warf blitzende Reflexe. Einer traf das Gesicht des Kochs und blendete ihn. Ebenso schnell wie der Elegante die Messer hervorgeholt hatte, ließ er sie wieder verschwinden. Dann deutete er auf den Stuhl.
»Setz dich und unterschreibe.«
Brandi stand noch immer unter Schock. Er ging auf den Stuhl zu, nahm seinen Platz ein und spürte die Hitze in seinem Kopf. Plötzlich fühlte er sich so wahnsinnig allein. Es war einfach furchtbar.
Er starrte auf das Papier.
Er wollte die Zeilen lesen, was er nicht schaffte, denn die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Nichts, gar nichts konnte er unterscheiden. Auch der Tisch bewegte sich. Er schwankte, er kam auf ihn zu, er drückte sich wieder weg. Es war ein ständiges Hin und Her, und der verdammte Vertrag schien sich vor seinen Augen aufzulösen.
Von der rechten Seite her erschien eine Hand in seinem Blickfeld. Die Finger hielten einen einen Füllfederhalter.
»Da!«
Carlo zögerte. »Nimm ihn!«
Die entscheidenden Sekunden standen bevor. Carlo Brandi wußte noch immer nicht, was er unternehmen sollte. Er war innerlich aufgewühlt.
Dieser Elegante war ein Wolf im Schafspelz. Der würde ihn töten, ohne mit der Wimper zu zucken. Gnadenlos.
Carlo faßte nach dem Füllfederhalter. Seine Hände zitterten. Der Schweiß ließ auf der Außenseite feuchte Flecken zurück. Die Haut an seinem Hals zuckte, als er schluckte. Der Elegante stand neben ihm, er hatte sich auf dem Tisch abgestützt. Das Leder seiner Handschuhe schimmerte. Es war sehr dünn Etwas wirbelte durch den Kopf des Kochs.
Sehr dünn!
Er hob seine rechte Hand an.
»Wunderbar«, sagte der Elegante und lächelte wieder.
Einen Moment später lächelte er nicht mehr. Da schrie er gellend auf, denn Carlo Brandi hatte ihm den Füller in den Handrücken gerammt…
***
Er konnte selbst nicht sagen, was ihn dabei überkommen hatte. Irgend etwas in seinem Innern war gerissen, da lagen die Nerven plötzlich blank. Er hatte es einfach tun müssen, es war aus seinem Innern hervorgestoßen, und er schaute nach rechts, wo die Hände von der Tischplatte verschwunden waren.
Der Elegante taumelte schockiert zurück. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Der Füller steckte noch immer in der Hand. Der Mann schaffte es einfach nicht, ihn herauszuziehen, er stand noch zu sehr unter Schock, den aber hatte Carlo abgeworfen.
Er schnellte hoch.
Urplötzlich war Bewegung in ihn gekommen, da hatte er den Schrecken abgestreift, plötzlich wollte er nicht mehr. Er mußte sein Hab und Gut verteidigen, sein Lebenswerk, und er fuhr herum.
Der Henker stand vor ihm.
Das flache Gesicht kam ihm vor wie eine Totenmaske. In den Augen des Mannes
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