Deborahs Totenacker
einem Zustand, in dem ihr alles egal ist. Daran sollten Sie denken.«
Cattani zog ein gelangweiltes Gesicht. »Hören Sie, Superintendent, Sie können mir gar nichts. Was wollen Sie eigentlich? Zeigen Sie mir doch die Leiche, von der sie immer geredet hat. Präsentieren Sie mir den Toten, dann reden wir weiter.«
»Sie wissen genau, daß wir das nicht können.«
»Eben.« Cattani grinste über alle Backen. »Was soll dann die große Schau hier?«
»Wir werden die Leiche schon finden«, sagte ich.
»Viel Spaß bei der Suche, Sinclair.«
Ich ließ mich nicht aus dem Konzept bringen. »Wir werden auch die rothaarige Frau finden, die den Toten mitgenommen hat.«
Zum erstenmal wurde er unsicher. Er bewegte seine Augendeckel ein wenig hastig, denn diese Frau war bisher außen vor geblieben. Es schien ihn überrascht zu haben, daß wir über sie Bescheid wußten, und er wartete auf meine nächsten Worte.
»Diese Frau ist wichtig. Wir wissen, daß wir es mit einem weiblichen Ghoul zu tun haben…«
»Mit wem, bitte?«
»Sie ist ein Ghoul.«
»Ach.«
»Kennen Sie Ghouls?«
Ich erklärte es ihm, und ich nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Und siehe da, Cattani wurde blaß. Mochte er auch ein Verbrecher sein, in einen direkten Kontakt mit den widerlichsten aller Dämonen der unteren Stufe war er noch nicht in Berührung gekommen. Daß es jemand gab, der Leichen fraß, darüber hatte er bisher noch nicht nachgedacht. Er starrte auf seine gefesselten Hände, als ich meine Erklärung beendet hatte.
»Sie sagen ja nichts.«
»Warum sollte ich?«
»War es neu für Sie?«
»Kann sein.«
»Aber Sie haben es akzeptiert, Cattani. Sie haben sich darüber gefreut, wenn die Personen verschwanden, die Ihrer Organisation gefährlich werden konnten. Sie tauchten ja nie mehr auf. Was ein Ghoul macht, das macht er gründlich.«
»Das ist nicht mein Bier.«
»Sie haben doch die Frau herbeigerufen. Sie und ihr Kumpan haben zugeschaut, wie die Rothaarige Carlo Brandi wegschaffte. Nichts, gar nichts haben Sie dagegen unternommen, und Sie werden es auch nicht abstreiten können, denn es gibt eine Zeugin. Ich gebe zu, daß wir Sie nicht wegen eines Mordes vor Gericht stellen können, aber zur Beihilfe und zur Verschleierung eines Verbrechens wird es immer reichen. Darüber sollten Sie nachdenken, Cattani.« Er schwieg.
Der Superintendent übernahm wieder das Wort. »Hinzu kommt noch etwas, Mr. Cattani. Wie uns bekannt ist, sind Sie in der Szene kein unbeschriebenes Blatt. Ich denke mal, daß wir einige Ihrer Sünden herausfinden werden, und das dürfte Ihnen ebenfalls nicht gefallen. Oder irre ich mich da? Es reicht, um Sie hundert Jahre hinter Gitter zu schicken. Selbst Ihr Übervater Costello kann daran nichts drehen.«
»Wer ist Costello?«
Sir James winkte ab. »Lassen wir diese Spielereien, konzentrieren wir uns auf Sie.«
»Ich habe nichts gesehen.«
»Daß wir Ihnen das nicht glauben, liegt auf der Hand«, sagte ich, »aber darauf kommt es uns im Moment auch nicht an, Cattani…«
Er zeigte sich überrascht, als ich meine Worte hatte ausklingen lassen.
»Auf welchen Dampfer soll ich denn jetzt wieder steigen?« wollte er wissen.
»Auf einen sicheren, der Sie möglicherweise auch in ein sicheres Gewässer schafft.«
»Ich werde nichts sagen, Sinclair. Ich bin ein kleiner Kassierer in einer Pizzeria, und mir ist es auch egal, wem das Lokal gehört, mehr habe ich Ihnen nicht zu sagen.«
»Doch!«
»Sie sind ein arroganter Bulle!«
Ich winkte lässig ab. »Hören Sie mit den Beschimpfungen auf, die bringen nichts. Dabei wollte ich Ihnen gerade jetzt eine Brücke bauen.«
»Die aus Glas ist, wie?« Er lachte scharf. »Die von euch gebauten Brücken brechen schon nach der ersten Belastung zusammen.«
»Da scheinen Sie ja Erfahrungen gesammelt zu haben.«
»Man hört so einiges.«
Ich lächelte ihn an, was ihn verunsicherte. Mit beiden Händen zugleich wischte er über sein Gesicht und wartete dann auf meinen nächsten Satz.
»Können Sie sich vorstellen, daß es uns gar nicht um Ihren Arbeitgeber geht?«
»Nein.«
»Dem ist aber so.« Ich beugte mich auf meinem Stuhl sitzend vor. »Und jetzt hören Sie mir zu, welche Brücke wir Ihnen bauen wollen, Cattini. Wir sind an der rothaarigen Frau interessiert, die kein Mensch, sondern ein Monstrum ist. Sie wollen wir haben. Begriffen?«
»Ich sehe die Brücke noch immer nicht.«
»Das erste Stück ist schon gebaut. Kommen wir zum zweiten. Daß Sie die Person kennen,
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