Deborahs Totenacker
daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Sie wissen, daß sie Deborah heißt.«
Er hob die Schultern.
Ich faßte es als Zustimmung auf und sprach weiter. »Damit haben wir schon etwas erreicht. Es gibt also einen Namen und eine Person. Wir aber wissen nicht, wo sich die Person aufhält, die sich von Toten ernährt. Sie sind ein Mensch, wir sind Menschen, es müßte doch in Ihrem Interesse liegen, daß eine derartige Bestie nicht mehr existiert. Oder haben Sie schon alle Menschlichkeit abgelegt und sind zu einem Roboter geworden? Das kann ich mir nicht vorstellen, Cattani.«
Er überlegte.
Zumindest war er ruhig, und er hatte seine Stirn nachdenklich in Falten gelegt.
»Sie sollten darüber nachdenken, was John Sinclair Ihnen gesagt hat.«
»Ja, Sir, ich weiß.«
»Wir geben Ihnen eine Minute«, sagte ich. »Und gehen Sie davon aus, daß wir Deborah auch ohne Ihre Hilfe finden werden. Uns aber kommt es auf den Zeitpunkt an. Wir wollen nicht, daß noch mehr Menschen von ihr getötet werden. Sollten Sie sich verstockt zeigen, könnte das geschehen, und wir müßten uns später daran erinnern.«
»Ja, Sinclair. Sie und Ihr Chef haben gut reden. Können Sie sich eigentlich vorstellen, daß ich nichts weiß?« Er schaute erst Sir James an, dann mich. »Können Sie sich das vorstellen?«
Die Antwort hatte nicht mehr so aggressiv und auch nicht so abweisend geklungen. Unsere Worte schienen ihn ein wenig aufgeweicht zu haben.
»Das können wir nicht«, sagte Sir James.
»Und warum nicht?«
»Weil Sie es gewesen sind, der die Rothaarige geholt hat, um ihr den Toten zu übergeben. Also müssen Sie zumindest gut informiert gewesen sein, Mr. Cattani.«
Er grinste. »Soll ich das als ein Kompliment auffassen?«
»Nein, bestimmt nicht. Verstehen Sie es als Aufforderung, endlich die Zurückhaltung aufzugeben.«
»Was bekomme ich?«
»Wir werden uns an Sie erinnern.«
»Vor Gericht?«
»Ja.«
»Ich werde also vor ein Gericht gestellt.«
»Sicher.«
»Und ich soll Ihnen dabei noch helfen?« Er lachte. »Lösen Sie mir die Handschellen, und ich werde Ihnen sagen, was Sie wissen wollen. Los, tun Sie es, wenn Ihnen Deborah so wichtig ist!« Er streckte uns die Arme entgegen. »Lassen Sie mich gehen!«
Sir James schüttelte den Kopf. Das konnte er nicht riskieren. Cattani würde verschwinden, aber ich dachte anders darüber und bastelte dabei an einen Plan.
»Gesetzt den Fall, ich würde Ihnen die Handschellen abnehmen, Cattani«, sagte ich leise. »Was ist dann?«
Er schaute mich an, als könnte er mir nicht glauben. »Moment, was sagten Sie?«
»Das haben Sie schon verstanden. Ich werde es nicht wiederholen. Ich will nur sagen, daß ich dann den ersten Schritt getan hätte. Den nächsten müßten Sie wagen.«
Cattani hob beide Beine an und stampfte mit den Füßen zugleich auf.
»Das glauben Sie doch selbst nicht.«
»Warum nicht?«
»Sie sind ein Bulle.«
»Auch Polizisten gehen oft ungewöhnliche Wege, wenn es die Situation erfordert. Aber Sie haben mir noch immer nicht meine Frage beantwortet.« Ich zeigte ihm den kleinen Schlüssel. »Wenn ich Ihnen die Handschellen aufschließe, wie würden Sie sich dann verhalten?«
Er grinste scharf. »Wie soll ich mich denn verhalten?«
»Das kann ich Ihnen sagen. Wir werden beieinander bleiben und gemeinsam zu dieser netten Dame fahren. Vorausgesetzt, Sie kennen ihr Versteck. Das ist mein Vorschlag.«
Manfredo Cattani war baff. Er, der wirklich nicht auf den Mund gefallen war, wußte plötzlich nicht, was er sagen sollte. Deshalb wandte er sich an meinen Chef. »Was sagen Sie denn dazu?«
Sir James spielte mit. »Ich habe volles Vertrauen zu meinem Mitarbeiter«, erklärte er.
Cattani wollte es nicht glauben. Er hob die Beine an, tanzte mit dem Hintern auf seinem Stuhl, schüttelte den Kopf und rief immer wieder:
»Ich packe es nicht! Ich kann es nicht glauben. Scheiße, ihr müßt schwer im Druck sein.«
»Sind wir auch«, gab ich zu. »Aber Sie sind es ebenfalls. Mein Vorschlag steht noch immer. Sie brauchen nur zuzustimmen.«
»Verdammt! Wenn ich euch nur glauben könnte…«
»Das können Sie.«
»Dann wissen Sie also Bescheid?« fragte Sir James.
Diesmal schwieg Cattini. Er überlegte. Er schaute zu Boden, dann hob er den Kopf, blickte mich an, als könnte er aus meinem Gesicht ablesen, ob ich es ehrlich meinte oder nicht.
»Warten Sie nicht zu lange. Wir schaffen es zur Not auch ohne Hilfe. Ich weiß, daß sich Ghouls gern auf Friedhöfen
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