Debütantinnen - Roman
natürlich ist die französische Welt immer noch ziemlich aufgebracht wegen dieser Geldgeschichte.«
»Dem Euro?«
»Genau. Ein vereintes Europa. Wenn man das so liest, könnte man meinen, es wäre das erste Mal, dass jemand auf diese Idee gekommen ist.«
»Eine schreckliche Idee.«
»Das Leben besteht aus einer Reihe schrecklicher Ideen.« Sie nahm noch einen Zug. »Eine Katastrophe nach der anderen.«
Er schlug die Beine übereinander. »Großbritannien wird unabhängig bleiben.«
»Wir haben keine Wahl − wir kommen doch nicht einmal untereinander klar, und schon gar nicht mit einem Haufen von Ausländern. Aber genug. Ich verabscheue Politik und besonders die abgedroschenen, mittelmäßigen Konversationen, die sie provoziert. Nicht Religion ist das Opium für das Volk, Rhetorik ist es.« Plötzlich fing sie an zu husten, ein tiefes, schmerzvolles Krächzen, das ihren gebrechlichen Körper erschütterte. Sie griff nach der Sauerstoffmaske und atmete tief ein.
Jack sah sich ängstlich nach Hilfe um. »Soll ich jemanden rufen.«
Sie schüttelte den Kopf, und nach einem Augenblick atmete sie wieder ruhiger. Sie nahm die Maske ab. »Sagen Sie mir, wo kommen Sie her?«
»Aus London.«
»Ehrlich?« Sie beugte sich vor. »Wie ist es da heutzutage?«
»Hektisch. Staubig. Heiß.«
»Wer kocht im Mirabelle?«
»Verzeihung?«
»Der Chefkoch.«
»Ich muss zugeben, ich habe keine Ahnung.«
»Oh, Sie speisen wohl nicht außerhalb, oder?«
»Gelegentlich.«
»Und tanzen … Gehen Sie hinterher tanzen?«
»Nein, eher nicht.«
»Wohin gehen Sie?«
»Wie gesagt, ich bin kein großer Tänzer.«
»Wie ungewöhnlich!« Sie seufzte. »Wissen Sie, Sie erinnern mich an jemanden.«
»Und an wen?«
»An einen Mann, den ich vor tausend Jahren angebetet habe. Gut aussehend, charmant, witzig!«
»Danke.« Jack lächelte.
»Er war natürlich schwul.«
Er lachte. »Ich weiß nicht, wie ich das auffassen soll.«
»Als Kompliment. Er war der phantastischste Gesellschafter und der einzige Mann, den ich je geliebt habe.«
»Das war sicher sehr kompliziert.«
»Was im Leben ist denn nicht kompliziert? Wir hatten ein Arrangement. Ich war seine Alibi-Freundin. Natürlich betrachtete man es damals eher als vorübergehendes Stadium denn als Lebensweise.«
»Seine Alibi-Freundin?«
»Ja. Fragen Sie Ihren Vater danach, er wird noch wissen, wie das damals war.«
»Was ist aus ihm geworden?«
»Ich kann es wirklich nicht sagen. Man verliert den Kontakt.« Sie drückte die Zigarette aus, lehnte sich zurück und schloss müde die Augen. »Sie haben nicht zufällig die aktuelle Ausgabe der Hello! dabei?«
»Nein, tut mir leid.«
»Natürlich nicht. Der reinste Mist. Aber ich liebe Klatsch. Finden Sie nicht auch, dass Königin Elizabeth dick geworden ist?« Sie öffnete die Augen und sah ihn von der Seite an. »Sie könnten mir wohl nicht eine Ausgabe besorgen, oder?«
*
* * *
Endsleigh
Devon
31. Mai 1941
Mein liebster Nick,
gerade als ich alle Hoffnung aufgegeben hatte! Mein Liebster, es ist zu, zu schön! Einfach unglaublich schön! Natürlich kann ich es nicht anlegen, denn meine Handgelenke sind ziemlich angeschwollen. Ich kann Dir nicht sagen, wie sehr ich beim Auspacken geweint habe! Es ist einfach das extravaganteste Geschenk auf der Welt, und das, wo ich schon jede Hoffnung, je wieder von Dir zu hören, aufgegeben hatte! Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was ich mir alles ausgemalt habe – dass Du tot unter den Trümmern Londons liegst oder dass Du weit weg verschifft wurdest … Du hast mich nicht vergessen, und mein Herz singt förmlich vor Freude! Ich habe keine Vorstellung, woher Du das Geld hast, und es ist mir auch egal. Danke, mein Liebster! Dank Dir tausend Mal! Bitte komm mich besuchen … Ich flehe Dich an! Und bis dahin starre ich auf mein angeschwollenes Handgelenk, um mir Mut zu machen! Oh, mein Schatz! Oh, meine süße, wahre Liebe! Wir fangen noch einmal ganz von vorn an. Alles ist möglich, weißt Du, alles!
Dein für immer
Baby
I rene hatte zwei Seiten. Sie konnte unglaublich charmant sein, ehrlich, die netteste Frau, die einem je begegnet war. Und solange man genau das tat, was sie wollte, liebte sie einen über alles. Aber wehe, man sagte oder tat etwas Falsches … Mir ist einmal in der Küche ein Fehler unterlaufen, mit Silbergeschirr. Ich habe eine Servierplatte zum Anwärmen in den Ofen gestellt, und die ist geschmolzen.«
»Die Geschichte hat Jo mir erzählt.«
»Dumm, wirklich.
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