Debütantinnen - Roman
herstolperte.
Ein Geräusch riss sie aus ihren Gedanken.
Cate erstarrte, während sie lauschte, wie Jack am Ende des Flurs den Treppenabsatz überquerte.
Er suchte sie.
Sie sammelte die Sachen zusammen, legte sie zurück in den Karton und band den Deckel rasch wieder mit dem Band zu.
Der Karton sollte wieder dorthin, wo sie ihn gefunden hatte. Oder sie würde ihn Jack zeigen.
Das wäre das Richtige gewesen.
»Cate? Cate?« Er ging die Treppe hinunter. »Cate!«
Stattdessen klemmte sie sich den Karton unter den Arm und lief mit pochendem Herzen lautlos damit über den Flur in ihr Zimmer.
*
Sie fingen mit ihrer Arbeit vorn im Haus an, in der Eingangshalle, arbeiteten penibel und in, wie es schien, quälend langsamem Tempo. Auf jeden Gegenstand kam ein kleiner Aufkleber mit einer Nummer. Die Nummer entsprach einer Beschreibung, die Jack Cate diktierte. Danach machte er ein Foto, manchmal auch mehrere aus verschiedenen Blickwinkeln. Jede Figurine, jedes Gemälde, jede Einzelheit des Lebens, das einst hier gelebt worden war, wurde aufgezeichnet und für einen raschen Verkauf mit einem Preis versehen.
Jeder Gegenstand hatte einen Schätzwert. Cate trug die Zahlen in uncharakteristisch sorgfältiger, ordentlicher Handschrift neben die Beschreibungen ein. Die Gesamtsumme stieg mit jeder Minute. Es war geisttötend. Wie traurig, dass all diese Gegenstände, erworben und über Generationen geliebt, bald zu wenigen Zeilen in einem Auktionskatalog reduziert sein würden. Endsleigh war einst ein Zuhause gewesen − ein Zufluchtsort vor dem Leben und der Welt. Jetzt waren sie und Jack die letzten Menschen, die darin wohnten, solange es noch ein Privathaus war. Zwei Fremde, was das Haus und seine Geschichte betraf, und einander fremd. Bald würden Planierraupen Mrs Williams’ Cottage mit den niedrigen Decken abreißen, um Platz für einen luxuriösen Wellnesstempel zu schaffen, und aus der Eingangshalle würden Hotellobby und Bar werden. Cate konnte sich das Entzücken der Touristen vorstellen, wenn sie zu ihrem Verwöhnwochenende im Landhaushotel anreisten.
Jack war gut in dem, was er tat, effizient und präzise, leierte er komplizierte Stil- und Objektbeschreibungen herunter, ohne Luft zu holen. Und Cate war dankbar dafür, keine anspruchsvollen Gespräche führen zu müssen. Er diktierte, sie schrieb nieder. Sie war unsichtbar, und sie fand es tröstlich, eine Weile zu vergessen, wer sie war und warum sie hier gelandet war. Als sie um sieben Uhr Schluss machten, taten ihr die Finger weh von der Anstrengung, leserlich und doch zügig zu schreiben.
»Sollen wir es für heute dabei belassen?«, fragte er.
Sie nickte dankbar und heftete die Formulare in einen Aktenordner.
»Ich glaube, da ziehen Essensdüfte durchs Haus«, fügte er hinzu, gähnte und reckte die Arme über den Kopf.
Sie spazierten in die Küche. Mrs Williams hatte sich wahrlich ins Zeug gelegt − die Shepherd’s Pie bräunte im Ofen, und der lange Kieferntisch war mit zwei Tischsets gedeckt, einer Schüssel grünem Salat, einer Schale Obst und etwas Käse.
»Gott sei Dank!« Er rieb sich die Hände. »Ich bin am Verhungern!«
»Aber wo ist die unsichtbare Mrs Williams?«, fragte Kate und lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. »Das ist ja fast wie im Märchen. Die Schöne und das Biest , zum Beispiel.«
»Hätten wir nicht alle gern solches Personal?«
»Hmm.«
»Oh, das hier ist genau richtig!« Jack nahm eine Flasche Rotwein, die auf der Arbeitsplatte stand, daneben zwei Gläser. »Darf ich Ihnen ein Glas einschenken?«
»Nein danke.«
»Ehrlich? Ganz sicher?«
»Ja. Danke.«
Ihm fiel wieder ein, dass Rachel im Gespräch erwähnt hatte, Cates Vater sei Alkoholiker gewesen. Offiziell wusste er natürlich nichts über sie. Er schenkte sich ein Glas ein. »Ich hoffe, es stört Sie nicht.«
»Warum sollte es?«
Er zuckte bemüht lässig die Achseln. »Aus keinem besonderen Grund.«
Befangen lächelte er und trank einen Schluck, wie um zu beweisen, dass er absolut nichts über ihre Familiengeschichte wusste.
Cate runzelte die Stirn, sie konnte ihre Verärgerung nicht verbergen. Rachel hatte offensichtlich geplaudert. »Schrecklich heiß hier drin!« Sie wandte sich ab und schaute aus dem Fenster.
»Sie haben recht. Lassen Sie uns draußen essen.«
»Gut.«
Sobald sie im Garten waren, löste sich die Spannung. Es war gut, der Hitze der Küche mit dem alten Aga-Herd zu entfliehen. Sie nahmen das Essen auf Tabletts mit hinaus und setzten
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