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Debütantinnen - Roman

Titel: Debütantinnen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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eine Geliebte.«
    Sie hatte es noch nie laut gesagt. Es klang gespreizt, ausgesprochen nach 18. Jahrhundert.
    Er lachte. »Verzeihung?«
    Sie sagte es noch einmal, diesmal lauter. »Eine Geliebte.«
    Er hörte auf zu lachen. Seine Augen veränderten sich, die Wärme zog sich daraus zurück.
    »Sie billigen es nicht«, schloss Cate und senkte den Blick auf die Stelle zwischen ihren Füßen. »Das ist in Ordnung. Ich billige es auch nicht.«
    »Und warum haben Sie es dann getan?« Er bemühte sich um einen neutralen Tonfall, doch schon in der Frage klang Voreingenommenheit mit, wie bei einem Lehrer.
    Sie schaute auf, plötzlich klein, überfordert. »Ich weiß nicht.«
    Er fühlte sich unwirklich, ein wenig taub. »Lieben Sie ihn?«
    »Wie bitte?« Sie blinzelte ihn an, mit leerem Blick.
    »Lassen wir es dabei bewenden.«
    Sie hatte Angst, darüber zu reden. Sie hatte Angst, nicht darüber zu reden. Und jetzt war sie zu weit gegangen.
    »Das ist nicht Liebe.«
    »Was dann?«
    »Eine Art Seelenkrankheit.«
    Ihre Antwort verunsicherte ihn. Das war nicht die Geschichte, die ihm vorgeschwebt hatte, nicht das romantische, verführerische Ende des Abends, auf das er sich gefreut hatte. Er fühlte sich betrogen. Also saß er da und starrte vor sich hin, blind für die Aussicht über den Primrose Hill. Er war nicht gewandt genug, um etwas Tröstliches zu sagen, doch er war auch nicht bereit, das Thema auf sich beruhen zu lassen.
    »Ist er reich?« Eine schäbige Frage, die er augenblicklich bereute.
    »Reicher als manche.«
    »Ein Kunde?«
    Sie starrte ihn unverwandt an. Seine Fragen waren aufdringlich und doch zwingend.
    »Wir müssen nicht darüber reden.«
    »Nein. Sie haben recht, wir müssen nicht darüber reden. Es tut mir leid.«
    »So habe ich das nicht gemeint …«
    »Natürlich nicht.« Sie stand auf. »Schauen Sie, ich kann allein nach Hause gehen.«
    »Reden Sie keinen Unsinn.« Er erhob sich ebenfalls.
    »Ich würde lieber allein gehen.«
    »Katie …«
    Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. Er schob die Hände in die Taschen und gab es auf, mit ihr reden zu wollen, konzentrierte sich auf den Boden.
    »Wir müssen in verschiedene Richtungen.« Sie nahm ihre Tasche und schlang sie sich über die Schulter. »Abgesehen davon ist es spät. Viel zu spät inzwischen.«
    Er trat zurück. Ließ sie gehen.
    Als sie an ihm vorbeiging, neigte er leicht den Kopf − eine seltsam formelle Geste, die einem anderen Zeitalter entstammte, vielleicht ein, wenn auch unbeholfenes, Anerkennen dessen, dass er ihr Vertrauen als ein Privileg begriff, wenn auch ein ungebetenes.
    Falls Cate es mitbekam, ließ sie sich nichts anmerken. Mit geradem Rücken und hochgerecktem Kinn schritt sie in die Nacht.

* * *
    5 St. James’s Square
    London
    12. August 1935
    Meine Liebe,
    es tut mir unendlich leid.
    So schrecklich leid für Deinen Verlust. Ich würde Dich gern trösten, aber ich weiß nicht, wie. Wenn es gelebt hätte, wäre es vielleicht krank gewesen. Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich Gott überhaupt nicht. Vielleicht hat Anne recht, und es gibt ihn gar nicht. Doch ein anderer Teil von mir schreit: Hab Vertrauen! Glaube! Aber ich weiß nicht, woran, und ich weiß auch nicht, warum. Und doch glaube ich, gegen alle Vernunft. Wir müssen. Du bist noch jung. Bitte, gib die Hoffnung nicht auf.
    Ich bin unterwegs.
    Stets Deine
    D

I m Traum lief sie nicht. Sie hätte laufen sollen, doch sie lief nicht. Sie spürte die Gefahr, übelkeiterregendes Adrenalin in ihrem Magen. Die Luft um sie herum veränderte sich, kühlte ab, wurde lebendig.
    Sie sah sich um. Die Landschaft war schattig. Sie war ganz unvermittelt hier gewesen, als erwachte sie aus einer starken Narkose. Wo war sie? In einem Haus? War das das rhythmische Rauschen des Meeres? Auf dem Boden eine Puppe, nackt, mit filzigem Haar und verdrehten Gliedern, starrte sie zu ihr auf, blaue Augen, blind. Sie bückte sich, erreichte sie aber nicht. Wieso war sie kaputt?
    Irgendwo am Ende des Flurs kam es näher.
    Sie wollte sich rühren, doch die Beine verweigerten ihr den Dienst. Sie wollte schreien, doch ihre Kehle brachte nur Töne hervor, die unhörbar waren.
    Es kam, schwarz, schlüpfrig, in wechselnder Gestalt. Näher, immer näher … Humpelnd, keuchend, mit hoher Geschwindigkeit kam es über den nackten Holzfußboden gelaufen.
    Cate wachte auf, in kaltem Schweiß gebadet, mit wild klopfendem Herzen und ohne Orientierung. Der Raum war pechschwarz und klein. Wo war sie? In welchem

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