Debütantinnen - Roman
Schultern. Normalerweise hätte er den größten Teil dieser Arbeit zu Hause erledigt und das fertige Produkt auf einer CD per Kurier geschickt.
Normalerweise verbrachte er nicht so viel Zeit im Büro. Das war ihm durchaus bewusst. Genau wie Rachel. Doch keiner machte eine Bemerkung darüber. Sie neckte ihn nicht einmal, und das war sehr aufschlussreich. Sie begriffen beide, was er da tat − er warf sich dem Schicksal vor die Füße und erhöhte seine Chancen, Cate wiederzusehen. Doch es hatte nicht funktioniert. Sie hatte die ganze Woche nicht hereingeschaut. Und statt die Einsamkeit seiner Routine zu genießen, wartete er den ganzen Tag, bereit für den Augenblick, da sie durch die Tür trat.
Und was würde er dann machen? Was würde er sagen, wenn sie endlich vor ihm stand? Er war auf vage Art fest entschlossen, netter zu ihr zu sein. Aber einen richtigen Plan hatte er nicht.
Er setzte seine Brille ab, rieb sich die Augen und konzentrierte sich wieder auf die Notizen.
»Regency-Kommode, Mahagoni mit weißer Marmorplatte, gedrehte Beine … abgebeizt …«
Abgebeizt?
Was war denn das?
Er sah sich das entsprechende Foto an. Hier − ein ganz gewöhnliches Möbelstück. Er hatte bestimmt nichts davon gesagt, es wäre abgebeizt. Darüber hing, wie auf dem Foto zu sehen war, ein Spiegel, in dem sich ihre Schulter spiegelte und ein bisschen blondes Haar.
Frustriert schob er den Stuhl vom Schreibtisch zurück, stand auf, öffnete die Hintertür, trat hinaus in den kleinen Hof zwischen den Gebäuden und streckte seine verkrampften Beine. Er würde das heute abschließen, und wenn er bis spät in die Nacht daran saß. Dann würde er nach Hause gehen und aufhören, hier herumzulungern wie ein Narr.
*
Cate schob die Bürotür auf. »Hallo? Rachel?«
Das Büro war leer, die Hintertür stand offen. Wo war sie?
»Rachel?«
Eine sanfte Brise fuhr raschelnd durch die Unterlagen auf dem Schreibtisch, und der Computer war noch eingeschaltet.
Weit konnte sie nicht sein.
Cate sank in einen der ledernen Clubsessel und kniff die Augen zusammen. Sie war unglaublich müde. Das war bestimmt noch der Jetlag. Sie lehnte sich entspannt an das kühle Leder, das sie umfasste wie eine Umarmung. Sie musste sich ausruhen. Nur eine Minute. Nur so lange, bis Rachel wiederkam.
*
Als Jack wieder hereinkam, schlief sie, den Kopf zur Seite geneigt, die Hände auf der Brust gefaltet, leise Seufzer ausstoßend.
»Cate?«
Er sagte ihren Namen leise, zu leise. In Wahrheit wollte er sie gar nicht wecken.
»Cate«, sagte er noch einmal. Sie sah aus, als hätte jemand den Stecker gezogen, sie ausgeschaltet.
Jack trat zurück, die Hände in den Taschen. Er hatte sich gewünscht, dass sie kam. Jetzt war sie hier. Funktionierte das Universum so?
Schön wär’s.
Er rieb sich die Augen. Er sollte sich wieder an die Arbeit machen. Oder sie wecken und nach Hause bringen. Das wäre logisch gewesen.
Doch er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber.
Gab es etwas Verletzlicheres als jemanden, der schlief?
Damals, als er frischverheiratet war, hatte er seiner Frau immer beim Schlafen zugesehen. Er wachte mitten in der Nacht auf und staunte, wie schön ihr Gesicht war, wenn ihr langes, dunkles Haar auf dem Kissen ausgebreitet war, der Mund zu einem leichten Schmollen geschürzt, die Hände wie ein Kind an die Brust gedrückt.
Doch nach und nach, im Laufe der Jahre, hatte er vergessen, ihr beim Schlafen zuzusehen. Sie ging oft vor ihm zu Bett. »Ich bin völlig kaputt«, sagte sie mit einem Unterton, der Warnung und Vorwurf zugleich war. »Also versuch bloß nicht, mich anzufassen«, lautete das unausgesprochene Ende des Satzes.
Er lernte, sie ohne Widerstand gehen zu lassen, verbrachte seine Abende vor dem Computer oder dem Fernseher. Es war leichter, als gekränkt zu sein. Wenn er ins Schlafzimmer kam, schlief sie schon, ihm den Rücken zugewandt, ihre Seite des Betts für sich beanspruchend. Verletzlichkeit und Offenheit waren verschwunden.
Cate rührte sich in dem alten Sessel, rutschte tiefer hinein.
Was war das? Er setzte sich auf. Ein kleine, blasse Narbe, weiß wie der Geist eines Halbmonds, nahe ihrer rechten Schläfe.
Nach einer Weile machte Jack sich eine Tasse Tee und schaltete die Schreibtischlampe ein. Die Gegend veränderte sich nach Feierabend. Die Geschäftigkeit der Büroangestellten verebbte, und Verlassenheit und Einsamkeit machten sich breit. Die sozialen Wohnsiedlungen und Pubs erwachten zum Leben, Gäste drängten
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