Decker & Lazarus 08 - Doch jeder toetet, was er liebt
geliebt, wie er es hätte tun sollen, wäre ich bereitwillig für ihn gestorben. Der Punkt war, dass ich mich für einen Jungen erniedrigte, der mich wie Dreck behandelte.
Ich redete mir alles von der Seele, bat Jesus um Vergebung und Verständnis. Die Beichte war für mich immer ein schmerzlicher Prozess gewesen, selbst als ich regelmäßig hingegangen war. Jetzt, nachdem ich meine spirituellen Verpflichtungen ein Jahr lang vernachlässigt hatte, schämte ich mich aber noch mehr und fühlte mich schuldiger. Aber ich zog es durch und tat Buße vor Gott. Hinterher fühlte ich mich besser. Trotzdem nagte die Schuld immer noch an mir, denn mein Herz sehnte sich nach wie vor nach Chris.
Aber man muss erst einmal das Richtige tun. Vielleicht würden die Gedanken später nachfolgen.
Ich ging auf Totalentzug. Ich machte mit Steve Anderson Schluss. Keine Partys mehr, keine Folter. Ich begann sogar, Chris aus dem Weg zu gehen. Das war am schlimmsten bei den Orchesterproben. Er hatte immer einen Haufen Leute um sich und war ein Meister darin, meinen Blick aufzufangen.
Dann lenkte eines Tages irgendetwas meinen Blick von ihm ab. Vielleicht war es Jesus, der meiner Seele einen neuen Weg wies. Vielleicht hatte ich auch nur ein anderes verwundetes Tier gerochen, wie ich selbst eins war.
Sein Name war Daniel Reiss. Außer im Orchester waren wir auch noch in Mathematik im selben Kurs. Er war ein Computerfreak, fast schon ein Genie, dem ständig die Brille auf die Nasenspitze rutschte. Er war dünn, aber wenigstens groß, und er starrte zu Chris hinüber, in jeder Hand einen Teil seiner Flöte. Sein Blick war nicht bösartig, nur perplex und besagte: Wieso erschafft Gott jemanden wie Chris und gleichzeitig jemanden wie mich?
Mit meiner Geige in der Hand ging ich zu Daniel hinüber. »Wenn du sie nicht zusammensetzt, wird’s wohl nichts werden mit dem Spielen.«
Er drehte sich langsam zu mir herum, völlig erstaunt, dass ich überhaupt mit ihm sprach.
»Du musst die Teile ineinander stecken.« Ich lächelte kurz. »Und dann reinblasen.«
Ich ging wieder.
Er kam hinterher.
Daniel war so wunderbar einfach. Er war süß und sanft und erwartete sexuell überhaupt nichts. Also wurde alles, was ich ihm gab, mit ungezügelter Begeisterung aufgenommen. Er gab mir mein Selbstwertgefühl zurück, und deshalb wollte ich, dass der Schulabschlussball für uns beide etwas ganz Besonderes werden sollte.
Mit dem Geld, das ich verdient hatte, hätte ich mir so ungefähr jedes Kleid kaufen können. Aber irgendwas Gekauftes war mir nicht gut genug. Ich wollte etwas Einzigartiges – etwas Handgemachtes.
Und das bedeutete, von mir gemacht. Jeden Tag nach der Schule blätterte ich alte Modehefte durch. Als ich mich für einen Schnitt entschieden hatte, begann ich die Stoffläden zu durchforsten. Schließlich stieß ich auf einen Ballen taubenblauen Taft mit Goldfäden, der nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Preises kostete.
Ich schnitt und kettelte und nähte. Ich begradigte und steckte ab, bis meine Augen nicht mehr mitmachten. Aber als ich fertig war, hatte ich mein Einzelstück – ein rückenfreies, trägerloses Corsagenkleid mit figurbetontem Minirock, in dem ich total sexy aussah.
Aber irgendetwas fehlte.
Es brauchte noch eine Verzierung. Es brauchte eine Schleife. Aber nicht irgendeine Schleife. Eine Riesenschleife, die ich knapp unterhalb der Taille anheftete. Wenn ich mich bewegte, wippte sie mit. Sie verlieh mir etwas Dynamisches. Aus dem übrig gebliebenen Stoff machte ich mir eine passende Stola. Den letzten Pfiff bekam das Ganze durch ein schwarzes Spitzentäschchen, schwarze Spitzenhandschuhe mit abgeschnittenen Fingern und schwarze Seidenstrümpfe mit Strapsen. Beim Schmuck blieb ich schlicht – ein Kreuz um den Hals und Chris’ Perlenohrstecker – eine nette kleine, ironische Note.
Am Abend des Abschlussballs fühlte ich mich so begehrenswert wie eine Kurtisane. Und doch war ich innerlich rein … na ja, vielleicht nicht ganz rein. Aber wenigstens würde ich die Highschool als Jungfrau verlassen.
Daniel war sprachlos. Ihm zitterten die Hände, als er mir sein Sträußchen an die Corsage steckte. Als wir zum Auto gingen, nahm ich seinen Arm. Er hatte eine Limousine mieten wollen, aber ich sagte ihm, er solle dafür kein Geld verschwenden. Sein sechs Jahre alter Volvo wäre völlig ausreichend. Ich fühlte mich absolut umwerfend, als ich die Turnhalle betrat.
Ich konnte die Blicke spüren – männliche und
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