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Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Titel: Decker & Lazarus 09 - Totengebet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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zu sein.
    Er ging auf sie zu. Sie trafen sich in der Mitte des Raumes. Rina starrte mit bebenden Lippen auf ihren Mann. Eine Krankenhausschwester hatte ihm ein frisches Hemd gegeben, doch seine Hose war noch voller Blut. Er erwartete, dass sie jeden Moment in Tränen ausbrechen würde.
    »Was ist mit deinem Arm passiert?«, fragte sie stattdessen.
    »Nur ein Kratzer …«
    »Peter …«
    »Ich habe eine Kugel abgekriegt.«
    »O mein Gott!«
    »Rina, ich bin …«
    »Kannst du ihn bewegen?«
    »Den Arm? Ja, kein Problem.« Er senkte die Stimme. »Sie müssen die Kugel nur noch rausholen.«
    »Die Kugel steckt noch drin?«
    Decker seufzte. »Ich wollte eine gute Nachricht nicht verpassen.«
    Rina musterte ihren Mann stumm. »Nichts?«
    Decker schüttelte den Kopf.
    Rina schwieg.
    »Hast du es den Jungs gesagt?«, wollte Decker wissen.
    »Nur, dass es ein Notfall sei und ich schnell weg müsse. Dass sie auf Hannah hören sollten, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie aufwacht.«
    »Was haben sie gesagt?«
    »Sie waren ganz schlaftrunken. Ich hab ihre Zimmertür offen gelassen.«
    Rina umarmte Decker spontan.
    »Oh, Peter! Ich halte das nicht mehr aus. Arbeite in einem Schlachthof. Gründe deinen eigenen Hundezwinger oder Reitstall. Alles, nur nicht mehr das, was du jetzt machst. Such dir einen anderen Job. Ich möchte nachts schlafen.«
    »So was passiert nicht alle Tage …«
    »Ich bin ein gebranntes Kind. Ich lasse die Finger vom Feuer.«
    »Rina …«
    »Ich mein es ernst. Ich ertrage das nicht …«, seufzte Rina und flüsterte: »Wird er durchkommen?«
    »Ich weiß es nicht, Rina.«
    »Was meinst du?«
    »Liebes, ich wage keine Prognose.« Er gab ihr einen Kuss aufs Haar, sah fest in ihre leicht geschwollenen, blauen Augen. »Er hat von dem Vertrauen gesprochen, das du immer in ihn gesetzt hast. Es hatte ihn wohl glücklich gemacht. Und er hat dich gebeten, Tehillim für ihn zu beten.«
    »Das hat er wirklich gesagt?«
    »Ja.«
    »Oh, meine … meine …« Sie starrte ihren Mann abwesend an. Ihre Hände fassten in ihre Handtasche und zogen einen schmalen Band in hebräischer Sprache hervor. Sie hielt ihn hoch. »Keine Ahnung, warum ich das mitgenommen habe.« Ihre Augen schwammen in Tränen. »Ich weiß praktisch alle Psalmen auswendig.«
    Deckers Augen wurden ebenfalls feucht. »Verzeih, Rina. Ich hab mein Bestes getan, aber es war nicht genug. Das Schlimmste ist, ich hatte so eine Ahnung … Sobald ich gesehen habe, wie Dolores Sparks’ Hand in ihrem Kimono verschwand, habe ich mich auf sie gestürzt. Aber ich war nicht schnell genug. Wenn ich nur eine Sekunde früher …«
    »Wenn du eine Sekunde früher bei ihr gewesen wärst, wärst du jetzt vielleicht an seiner Stelle.«
    Decker hielt inne, erkannte die Schwere ihrer Behauptung.
    Wortlos schlug sie das Buch auf. Dabei fragte sie sich, ob Nichtjuden ebenfalls Psalmen füreinander beteten wie das bei Juden üblich war. Die Tradition wollte es, dass Juden die Psalmen aufsagten, die den einzelnen Buchstaben des zusätzlich gegebenen hebräischen Namens der in Not befindlichen Person entsprachen. Selbstverständlich hatte Bram keinen zusätzlichen hebräischen Namen. Aber da Abram Matthew ein hebräisches Äquivalent hatte – Awram Matisjahu – beschloss sie, sich danach zu richten.
    Sie war noch nicht weit gekommen, als Myron Berger die Eingangshalle betrat. Nach seinem Gesicht zu schließen, hätte sie sich die Mühe sparen können.
    Sie klappte das Buch zu und sagte: »Boruch atah adonai elohenu melech haolam dajan haemet.«
    »Gesegnet seist du, Haschem, unser Gott, König des Universums, unser wahrhaftiger Richter.«
    Der jüdische Segensspruch beim Erhalt schlechter Nachrichten.
    Decker schloss kurz die Augen. Er hatte ein schlechtes Gefühl im Magen. Bergers blaue OP-Kleidung war voller Blut, die Maske baumelte um seinen Hals. Sein Blick schweifte kurz über die Ansammlung bleicher, angespannter Gesichter, während er nach den richtigen Worten suchte.
    »Es tut mir Leid …« Der Chirurg wandte den Blick ab. »Ich habe getan, was ich konnte, aber die Verletzungen waren einfach zu schwer.«
    Die Stille war niederschmetternd.
    »Vielleicht, wenn ich Ihr Vater gewesen wäre«, fuhr Berger fort, »… mit all seiner Kunstfertigkeit … hätte ich … Es tut mir schrecklich Leid.«
    Paul stand auf, ging auf Berger zu und legte dem Chirurgen die Hand auf die Schulter. Dann trat er ein paar Schritte zurück und brach in lautloses Schluchzen aus. Michael

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