Decker & Lazarus 09 - Totengebet
sein Fachgebiet. Hat gesagt, er wolle jemanden aus dem engsten Freundeskreis nicht operieren, dazu fehle ihm die Objektivität, die Distanz.« Der Anwalt schlug mit der Faust auf den Tisch. »Begreifen Sie? Es war alles gelogen! Er wusste nämlich, dass er sich schuldig gemacht hatte.«
»Wieso schuldig?«, hakte Webster nach.
»Er hatte von Anfang an gewusst, dass sie sterben würde.«
»Mr. Waterson«, begann Kent. »Sterben müssen wir alle.«
»Er hat mir Hoffnungen gemacht, damit ich später nur um so tiefer fallen musste. Er hat mich betrogen und belogen. Als er dann seine eigene Frau auch noch betrügen wollte, war das Maß für mich voll. Der Mann brachte nur Schmerz und Qual über die Menschheit. Was genug ist, ist genug.«
Alle schwiegen.
»Ich war entsetzt, als er mir sagte, dass er … so … eben anders sei. Er behauptete, seine Neigungen nie ausgelebt zu haben, und deshalb alles aufgeben wolle, um sich über seine wahren Gefühle klar zu werden. Aber ich habe ihm nicht geglaubt.«
»Wirklich nicht?«, fragte Webster.
»Ja, wirklich nicht«, fuhr Waterson auf. »Nachdem, was er mir und meiner Frau angetan hatte, hatte Azor bei mir jede Glaubwürdigkeit verloren. Außerdem musste man sich ja nur ansehen, wen er in der Klinik beschäftigte! Es war schließlich allgemein bekannt, welchen perversen Neigungen dieser Mann frönte. Und da wurde mir auch endlich klar, weshalb sich Azor diesem widerlichen Gotteslästerer gegenüber so loyal verhalten hatte.«
Er hielt abrupt inne.
»Bitte, fahren Sie fort, Mr. Waterson«, forderte Gilda ihn auf.
Waterson wirkte plötzlich müde. »Ich konnte sie einfach nicht im Stich lassen.«
»Wen?«, fragte Kent.
»Dolly.« Waterson sah mit geröteten Augen auf. »Ich habe gesündigt. Ich trug den Gedanken an Ehebruch in meinem Herzen.«
»Sie lieben sie, stimmt’s?«, warf Kent ein.
»Ich habe sie immer aus der Ferne verehrt. Aber ich habe meine Gefühle unterdrückt, wie Gott es vorschreibt. Selbst nach dem Tod meiner Frau habe ich meine wahren Sehnsüchte für mich behalten. Das hat mich manchmal eine unmenschliche Kraft gekostet. Besonders wenn ich mit ansehen musste, wie Dolly verblühte, tagtäglich unter seiner Gefühllosigkeit litt.«
Er senkte den Blick.
»Nachdem Azor mir gegenüber dieses widerliche Geständnis gemacht hatte, musste ich Dolly reinen Wein einschenken. Sie ist ein zart besaitetes Wesen und sehr sensibel, aber dafür hatte Azor keinen Sinn.«
»Also haben Sie es ihr gesagt«, bemerkte Martinez.
Waterson nickte.
»Und dann?«
»Sie hat mich angefleht … hat ihn angefleht. Hat ihn gebeten, es sich noch einmal zu überlegen. Er blieb stur, weigerte sich, sie überhaupt anzuhören. Ich meine, hätte er denn nicht einfach sein bisheriges Leben weiterführen können, zumindest um der Fassade und des Anstandes willen? Das müssen wir doch alle. Er konnte ja tun und lassen, was er wollte, so lange er diskret war und bei ihr blieb. Ich schwöre, Mord hat nie zu unserem Plan gehört.«
»Was war denn Ihr Plan, Mr. Waterson?«, fragte Webster.
»Sie sollten ihn dazu bringen, bei ihr zu bleiben und den Mund zu halten.«
»Wer sind ›sie‹?«, drängte Webster.
»Stanislaw, Sidewinder, Polinski und seine Gruppe«, antwortete Waterson. »Er wird Ihnen natürlich was anderes erzählen. Er wird behaupten, ich hätte üble Dinge gesagt, ihm aufgetragen, Böses zu tun. Aber dem ist nicht so.«
»Wer sind Polinskis Komplizen?«, wollte Martinez wissen.
»Das habe ich nie gefragt. Ich habe ihm nur gesagt, er solle sich darum kümmern.«
»Worum kümmern?«
»Um Azor«, erwiderte Waterson. »Ihn überzeugen, bei ihr zu bleiben. Mehr zu beten und zu versuchen, sich von seinen Dämonen zu befreien. Vor allem, es für sich zu behalten. Das war alles.«
»Mr. Waterson«, begann Gilda, »wir haben eine Vereinbarung. Egal, was Sie sagen, Sie können sich damit nicht mehr schaden.«
»Warum schenken Sie uns nicht reinen Wein ein?«, sagte Webster.
»Aber ich …«
»Sie können sich vielleicht vor uns hinter Lügen verstecken, Mr. Waterson«, unterbrach Kent ihn. »Aber Gott täuschen Sie nicht. Er kann in Ihr Herz sehen.«
»Woher kannten Sie Polinski?«, wollte Martinez wissen.
Waterson trank einen Schluck Wasser. »Azor hatte mich gebeten, ihm Schecks zu bringen.« Er hielt inne. »Ihm und einem Mann namens Emmanuel Sanchez, genannt Grease Pit. Schecks für diese Bewegung, Freiheit für die Umwelt, die Azor unterstützt hat. Hab das
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