Decker & Lazarus 09 - Totengebet
aus?«
Craine wirkte nachdenklich. »Die Leiche ist noch warm. Keine Anzeichen von Leichenstarre. Der Mord muss also erst vor kurzem passiert sein. Aber das muss ich Ihnen ja nicht sagen.«
»Ah, richtig Chef … hätte ich fast vergessen«, mischte sich Gaynor ein. »Scott Oliver hat inzwischen angerufen. Sparks ist heute in der Klinik gewesen. Nach acht ist er gegangen. Nach einer Besprechung mit anderen Ärzten. Das haben mehrere gesehen. Aber keiner hat eine Ahnung, was Sparks hier zu suchen hatte. Im Tracadero’s, meine ich. Er hat nämlich im Krankenhaus zu Abend gegessen. Jedenfalls behauptet das seine Sekretärin. Eine gewisse Heather Manley.«
»Ist sie noch in der Klinik?«
»Keine Ahnung, wo Scott mit ihr gesprochen hat. Am Telefon oder im Krankenhaus.«
»Der große Mann wurde also gegen acht zum letzten Mal gesehen.« Craine ließ das Schloss seiner schwarzen Tasche zuschnappen. »Jetzt ist es Viertel vor elf. Damit haben wir einen exakten Zeitrahmen. Das ist besser als alles, was die Wissenschaft uns bieten könnte.«
»Haben Sie ihn gekannt, Jay?«
»Ich habe vor allem von ihm gehört, Lieutenant. Dr. Sparks war in aller Munde.« Craine wandte sich ab. »Ist ein herber Schlag. Ein Mann wie ihn so … abgeschlachtet zu sehen!«
»Erzählen Sie! Wie ist er gestorben?«
»Einschüsse in Kopf und Nacken. Eine Kugel hat wohl das Rückenmark durchtrennt. War sehr wahrscheinlich die primäre Todesursache. Die anderen Verstümmelungen … die Wunden im Brustbereich … die sind ihm meines Erachtens postmortem zugefügt worden. Da war jemand mit viel Kraft und einer gehörigen Wut am Werk. Ihm das Brustbein zu zerschmettern und Brustkorb und Herz praktisch bloßzulegen … Mannomann! Tippe auf ein langes Messer mit breiter Klinge. Ich habe feinsten Knochenstaub gefunden. Was das zerschmetterte Brustbein angeht … da kommt als Tatwaffe praktisch alles in Frage. Ein Brecheisen, ein Baseballschläger. Ein Eisenhammer oder ein Holzhammer.«
»Utensilien die man in jedem Kofferraum, Werkzeugkasten oder einer Küche finden kann«, bemerkte Decker.
»Richtig«, stimmte Craine zu. »Aber wie auch immer … der Täter muss Kraft gehabt haben.«
»Wir suchen also einen Mann?«
»Möchte ich annehmen. Selbst eine kräftige Frau … ob die so viel Schaden anrichten kann, würde ich bezweifeln.« Craine runzelte die Stirn. »Ich an Ihrer Stelle würde mich nach einem Penisträger umschauen.«
Gaynor verkniff sich ein Grinsen. »Zerschmetterter Brustkorb … über dem Herz geöffnet … Kommt mir so vor, als hätte da jemand eine Botschaft loswerden wollen.«
»Zweifellos.« Craine zog seine Handschuhe aus. »Wir bringen ihn jetzt ins Leichenschauhaus. Der Autopsietermin ist morgen früh.«
»In meinem Wagen sitzt einer von Sparks’ Söhnen«, sagte Decker. »Er hat sich bereit erklärt, den Vater zu identifizieren.«
»Der Tote ist Azor«, sagte Craine. »Könnte ich jederzeit beschwören, wenn Sie Wert drauf legen. Ersparen Sie dem Mann diesen Albtraum.«
»Danke. Aber ich glaube, er weiß selbst, dass das Opfer sein Vater ist. Er will einfach nur seiner Sache sicher sein.«
»Großer Gott! Warum das denn?«
»Er ist katholischer Priester«, erwiderte Gaynor. »Vielleicht will er ihm die letzte Ölung geben.«
»Einem Toten? Ist das denn möglich?«, fragte Decker. »Im Übrigen war Azor Sparks nicht katholisch.«
»Aber sehr gläubig«, bemerkte Craine. »Azor Sparks’ fundamentalistische Neigungen, seine absolute Hingabe an Gott waren allgemein bekannt.« Der Polizeiarzt überlegte. »Vielleicht hatte er eine Hotline zum Himmel. Er hat verdammt viele Leben gerettet. Das steht fest.«
»Ich hole den Priester, sobald ihr die Leiche im Sack und auf der Bahre habt«, erklärte Decker. »Den Tatort und den ganzen Rest werde ich ihm ersparen.«
»Sehr fürsorglich von Ihnen, Lieutenant«, murmelte Craine. »Wirklich sehr fürsorglich. Eine Riesensauerei ist das. Der Anblick haut selbst die abgebrühtesten Profis um. Gute Nacht allerseits.«
Gaynor beobachtete, wie Craine in seinen Wagen stieg und abfuhr. »Der war ja ziemlich gereizt. Oder sollte man eher sagen … mitgenommen?«
»Sind wir das nicht alle?« Decker schüttelte den Kopf. »Wo sind Webster und Martinez?«
»Auf Müllpatrouille.« Gaynor deutete in die Dunkelheit hinaus. »Siehst du die Lichter dort drüben blinken?«
»Ich sehe gar nichts.«
»Das ist das Schöne am Älterwerden«, seufzte Gaynor. »Man wird immer weitsichtiger.
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