Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
brach das amtliche Siegel auf und zog die Fotos heraus. Sie trafen ihn wie ein Schlag auf den Solarplexus. Er blätterte sie durch, bedächtig und konzentriert. Marge kam mit den Kollegen zurück. Sie zogen Stühle heran und setzten sich, alle waren ungewohnt still.
»Ich hab hier ein paar vorläufige Autopsieberichte«, sagte Decker. »Die endgültigen werden noch ein paar Tage brauchen, also halten wir uns an diese, um … «
Oliver unterbrach ihn. »Bringen sie denn was, was wir noch nicht wissen?«
»Möglich ist alles.« Decker schob die Fotos in den Umschlag zurück. »Wir müssen den Ablauf rekonstruieren. Wo Harlan Manz stand, als er das Feuer eröffnete, wer sein ersten Opfer wurde, wer das zweite und so weiter und so fort. Wir fangen mit der Lageskizze an. Wo jeder Tisch stand und wer wo gesessen hat. Dazu benutzen wir das Reservierungsbuch. Wer hat das Buch sichergestellt?«
»Ich.« Marge hob die Hand.
»Okay«, sagte Decker. »Erst die Zeichnerei, dann die Kopfarbeit und der Kleinkram. Dafür brauchen wir ein bißchen Geometrie und die Schußwinkel. Da wir die Opfer nicht am Ort festnageln konnten, müssen wir uns auf die Gerichtsmediziner verlassen.« Decker beugte sich vor. »Harlan Manz wurde tot an der Bar gefunden. Ich weiß nicht, ob er von dort aus das Feuer eröffnet hat, aber wir gehen mal davon aus, daß es so war. Die Bar ist neben dem Eingang, stimmt’s?«
Alles nickte.
»Nehmen wir also an, er ist reingekommen und hat sofort geschossen. Das ist unser Ausgangspunkt. Wir müssen uns überlegen: Wenn Manz von der Bar aus das Feuer eröffnet hat und sich nach links gewandt hat: Wo sind die ersten Schüsse eingeschlagen? Sagen wir, Tisch 3. Wir schauen im Reservierungsbuch nach, wer am Tisch 3 saß und gleichen das mit der Art der Verletzungen ab, wenn es welche gab. Wenn sie zum Standort von Manz passen, gehen wir zur nächsten Hypothese über. Wenn nicht, müssen wir unsere erste Hypothese ändern.«
»Das ist mir zu hoch«, sagte Martinez.
»Wir versuchen die Geschoßbahnen mit Hilfe der Geometrie zu rekonstruieren«, erklärte Decker. »Die ganze verdammte Liste durch. Wenn Manz von der Bar aus geschossen hat, wo sind dann die ersten Treffer gelandet? Wenn das zusammenpaßt, machen wir weiter. Das heißt, wer war sein erstes Opfer, wenn Manz sich nach links gedreht und dann geschossen hat? Und wenn er sich nach rechts gedreht hat, wer war es dann? Angenommen, er hat ein paar Schritte vorwärts gemacht, wen hat er dann getroffen? Wenn er ein paar Schritte nach vorn gemacht und dann nach rechts geschossen hat, wen hat es erwischt? Wenn er ein paar Schritte nach vorn gemacht und dann nach links geschossen hat, wer wäre dann fällig gewesen?«
»Das kann ja Monate dauern«, stöhnte Oliver.
»Wahrscheinlich wird es Monate dauern«, erklärte Decker.
»Loo, entschuldige meine Blödheit« beklagte sich Webster, »Aber was willst du eigentlich damit erreichen?«
»Werden wir mal einen Moment politisch. Wir müssen mit Klagen rechnen – gegen das Estelle, vielleicht sogar gegen die Stadt. Unsere Berichte werden streng unter die Lupe genommen. Und man wird über uns zu Gericht sitzen. Über jeden von uns. Euch, mich, die ganze Abteilung, die schon so lange unter Beschuß steht.« Decker rieb sich die Schläfen. »Ich will die Flugbahn jeder einzelnen Kugel wissen. Stellt sicher, daß sie alle aus Harlans Kanone kamen und nicht aus einer Fremdquelle, die wir übersehen haben, weil wir zu faul waren, um … «
»Eine Fremdquelle?« Marge zog eine Grimasse. »Du glaubst, es gab noch andere Schützen?«
»Wer weiß? Nach dem letzten Stand haben wir dreizehn Tote, zweiunddreißig Verletzte. Verdammt viel für einen einzigen Schützen, Margie.«
»Harlan hatte eine Neun-Millimeter Automatic«, wandte Martinez ein. »Vierzehn Schuß pro Magazin … «
»Wie viele Magazine hat er denn verfeuert, Bert?«
Martinez stutzte. »Keine Ahnung.«
»Weiß das jemand?«
Schweigen.
»Dreizehn Tote, zweiunddreißig Verletzte, und wir wissen nicht mal, wie viele Magazine dieser Kerl verfeuert hat«, rief Decker.
»Zählen wir also die Geschosse«, meinte Oliver.
»Wer werden noch viel mehr tun als das. Ich will den ganzen Ablauf bis ins letzte Detail. Jeden Schritt, den Manz gemacht hat, jeden Schuß, den er abgegeben hat.« Decker lehnte sich zurück.
»Morgen fangen wir damit an. Dunn und Oliver, ihr beide nehmt euch die Leichen vor, auch die Hülsen und Geschosse im Estelle. Sucht die Wände
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