Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
ab, die Einrichtung, die Blumentöpfe, krempelt den ganzen Laden um, wenn’s sein muß. Ich will jede Kugel, jede Hülse, jedes leere Magazin gesichert und registriert haben.«
»Wie gesagt: Kleinkram«, murrte Oliver.
Decker, erschöpft, zerzaust, zermürbt, starrte seinen Ermittler an. »Ich beneide dich nicht um diesen Job, Scott. Aber jemand muß es tun.«
Oliver fuhr sich mit beiden Händen durch das glänzend schwarze Haar. »Ich beklage mich ja nicht, Loo. Ich bin nur müde.«
»Ich weiß.« Decker wandte sich Webster und Martinez zu. »Ihr zwei geht in die Krankenhäuser und sprecht mit den Ärzten. Sie sollen euch helfen, die Zahl der Geschosse zu ermitteln, anhand der Krankenakten, der OP-Protokolle oder der Röntgenbilder. Und wenn der eine oder andere Verletzte reden will, könnt ihr schon mal Aussagen aufnehmen. Sobald wir alle Geschosse beisammen haben, untersuchen wir die Schußbahnen.«
»Hast du schon mal dran gedacht, einen Computer zu benutzen, Loo?« fragte Webster.
»Während wir hier quatschen, arbeitet Farrell schon an einem Programm. Das kann sehr nützlich werden, aber erst müssen wir die Daten zum Einfüttern haben. Dann dauert es wahrscheinlich Monate, bis er mit den Ergebnissen kommt. Aber das macht nichts. Wir haben Zeit. Wenn wir unsere Berechnungen präzise genug hinkriegen, spuckt der Computer vielleicht eine Rekonstruktion all dessen aus, was Manz im Estelle gemacht hat.«
»Es lebe der Cybermord«, sagte Webster.
»Mit dem Unterschied, daß die Opfer aus Fleisch und Blut sind.« Decker stand auf. »Wir fangen morgen an. Jetzt aber ab nach Hause alle miteinander.«
Als Decker die Ranch erreichte, sah er Licht in den Erkerfenstern des Wohnzimmers. Sofort fing sein Herz an zu rasen. Es war zwar noch nicht spät, erst Viertel nach zehn, aber wenn Rina auf ihn wartete, dann immer in der Küche oder im Schlafzimmer.
Er stellte den Volare ab, rannte zur Haustür und schloß auf. Seine Frau schlief auf dem Wohnzimmersofa. Ginger, der Hund, hatte es sich auf dem Fußboden zwischen Papierbergen bequem gemacht. Neben den Akten ein Rechner, Stifte und ein paar Ordner.
Decker atmete auf. Alles in Ordnung. Dann erwachte seine Neugier. Woran hatte Rina gearbeitet? Er wollte die Papiere ansehen, dann verwarf er den Gedanken. Alles zu seiner Zeit. Jetzt sollte sie schlafen.
Er blickte sich um. Im trüben Licht wirkte das Zimmer schäbig, die Einrichtung über zehn Jahre alt, aus der Zeit seiner Scheidung. Das Wildledersofa war stellenweise blank gewetzt, der Couchtisch zerkratzt, die beiden Ohrensessel verschossen. Wenigstens stand da am Fenster der Schaukelstuhl aus Kiefernholz, den Rina nach Hannahs Geburt gekauft hatte – das einzige neue Möbelstück.
Doch Rina hatte sich noch nie über die angejahrten Stücke beschwert. Wahrscheinlich wartete sie, bis er sich freiwillig von den letzten Überbleibseln seiner Junggesellenjahre trennte. Und natürlich hatte sie ihre weibliche Note beigesteuert. Die seidenen Blumenkissen auf dem Sofa, zwei handgehäkelte Diwandecken, frische Blumen und jede Menge gerahmte Familienfotos. Er betrachtete seine schlafende Frau – sie hatte wirklich Besseres verdient …
Sie regte sich. Auch ohne Make-up war sie eine Schönheit, obwohl ihre zarte Haut noch einen Hauch bleicher war als sonst. Ihre Lippen – üppig, rot und wie immer verführerisch. Ihre Augen bewegten sich unter den fast durchsichtig zarten Lidern. Sie trug den schwarzen Angorapullover und den schwarzen Strickrock. Beides paßte vorzüglich zu dem pechschwarzen Haar, das ihr über die Schultern fiel wie ein Zobelkragen.
Er machte das Licht aus, schob Ginger hinaus, überlegte, ob er im Pferdestall nach dem Rechten sehen sollte, verwarf jedoch den Gedanken. Verdammte Müdigkeit!
Er ging ins Schlafzimmer, zog sich in Sekunden aus, dann unter die Dusche. Er drehte voll auf und ließ das Wasser auf sein Stoppelgesicht prasseln. Glühend heiße Nadeln stachen seinen schmerzenden Rücken und röteten ihm die sommersprossige Haut. Er hielt der Feuertaufe stand, bis das Wasser kalt wurde. Als er fertig war, hatte Rina ins Bett gefunden. Sie war im Halbschlaf und bekam die Augen nicht auf. »Alles in Ordnung?« fragte sie.
»Keine Sorge.« Decker rubbelte sich trocken. »Schlaf nur weiter.«
»Grüße von den Jungs.«
»Grüße zurück.« Er strich sich das nasse rotblonde Haar zurück, dann beugte er sich über sie und gab ihr einen Kuß. Erst einen kurzen, dann einen langen.
Sie
Weitere Kostenlose Bücher