Decker & Lazarus - 18 - Missgunst
kann die Herkunft des Sprechers benennen, sogar wenn er oder sie fließend und akzentfrei Holländisch spricht.«
»Niemand spricht ein akzentfreies Irgendwas.« Harriman legte seinen Kopf zur anderen Seite schräg. »Es gibt immer verräterische Dinge, wenn man weiß, worauf man achten muss.«
»Konnten Sie jemals sehen?«
»Ich kann sehen. Man sieht mit dem Gehirn, nicht mit den Augen. Aber es gab eine Zeit, da hatte ich noch Sehkraft. Ich war fünf, als ich mein Augenlicht durch Weichteilsarkome verlor – beidseitige Tumore.« Er wippte mit einem Fuß. »Interessiert es Sie, was ich Ihnen erzählt habe, oder glauben Sie immer noch, dass es wertlos ist?«
»Sie verwechseln Wertlosigkeit mit einer gesunden Portion Skepsis. Was Sie mir erzählt haben, interessiert mich sehr, Mr. Harriman. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich es gerne noch mal durchgehen.«
Der blinde Mann seufzte ärgerlich. »Ich heiße Brett, und ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. An der Geschichte wird sich nichts ändern.«
»Aber vielleicht ändert sich etwas an meiner Wahrnehmung.«
Harriman wartete einige Augenblicke und begann von vorne. »Ich stand in der Wartezone der Gerichtssäle herum und aß einen Powerriegel. Zwei hispanische Typen unterhielten sich über die Morde auf der Coyote Ranch. Einer der beiden war aus Mexiko, der andere aus El Salvador. Sie nannten das Opfer immer wieder Mr. Café, weil Kaffey auf Spanisch Café heißt. Dann sprachen sie über einen Kerl namens José Pinon, der verschwunden war, und dass der Boss in Mexiko nach ihm suchte. Schreiben Sie das noch mal auf? Ich höre, wie Ihr Stift übers Papier kratzt.«
»Ich gleiche nur Übereinstimmungen mit dem ab, was Sie vorhin gesagt haben, und dem, was Sie jetzt sagen. Sie sagten zuerst, dass der Mexikaner die meiste Zeit redete.«
»Richtig. Der Mexikaner sagte, der Boss halte Ausschau nach José. Er – der Boss – sei ziemlich sauer auf José, weil er Scheiße gebaut habe. Und er habe Scheiße gebaut, weil er keine Kugeln mehr hatte.« Pause. »Können Sie damit etwas anfangen?«
Und wie, verdammt noch mal. José Pinon gibt übersetzt Joe Pine. »Möglicherweise«, sagte Decker, »reden Sie weiter.«
»Also, José hatte keine Kugeln mehr«, sagte Harriman. »Und da fragte der El Salvadorianer den Mexikaner, warum denn niemand anderes den Sohn erledigt hätte. Und der Mexikaner sagte, weil José ein Idiot sei. Dann sagte er, Martin sei richtig wütend. Beide waren sich darüber einig, Martin sei ein sehr böser Mensch, aber nicht so böse wie der Boss – wer immer das ist. Beide waren sich auch einig, dass José ein toter Mann sei. Ab diesem Punkt empfand ich meine Lauscherei als sehr unangenehm. Die Art, wie die beiden sprachen … es klang authentisch. Ich habe dann die Morde auf meinem Computer gegoogelt … Er ist sprachgesteuert, falls Sie sich wundern.«
»Dachte ich mir schon.«
»Der Sohn … Gil Kaffey … man hat auf ihn geschossen, er hat aber überlebt. Ich nahm an, dass sie über Gil Kaffey geredet haben und darüber, dass José nicht für dessen Tod gesorgt hatte.« Harrimans Kopf kullerte wieder auf die andere Seite. »Ich gebe diese Informationen nur an Sie weiter. Vielleicht helfen sie Ihnen ja.«
»Ich weiß Ihr Kommen zu schätzen. Sie erwähnten Josés Nachnamen Pinon. Was ist mit Martin?«
»Nur Martin.«
»Hat er mal Rondo Martin gesagt?«
»Nur Martin, soweit ich mich erinnern kann.«
»Okay«, sagte Decker, »wenn Sie den beiden Männern noch mal zuhören würden, könnten Sie sie aus anderen El Salvadorianern oder Mexikanern herauspicken?«
»Als eine Sprach-Gegenüberstellung?«
»So was in der Art.«
»Haben Sie das schon mal gemacht?«
»Nein, es wäre eine Premiere am Gericht. Glauben Sie, Sie könnten die Stimmen identifizieren?«
»Absolut.« Harriman wirkte beleidigt. »Warum? Haben Sie einen Verdächtigen?«
»Bis jetzt haben wir jede Menge Verdachtspersonen.«
»Also keine Verhaftungen.«
»Wenn wir jemanden verhaftet hätten, wüsste Ihr sprachgesteuerter Computer davon. Gibt es noch etwas, was Sie gerne hinzufügen möchten?«
Harriman dachte einen Moment lang nach. »Der Mann aus El Salvador klang wie ein Raucher. Das engt das Ganze auf Zigtausende ein.«
»Vielen Dank für diese Information.«
»Hilft das weiter?«
Verdammt deutlich. »Könnte sein.« Decker las wiederholt einen Teil von Harrimans Aussage. »Wie kann ich am besten mit Ihnen Kontakt aufnehmen, falls mir noch etwas
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