Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Platz zu nehmen, stellte erst Garoche vor, dann den jungen Mann.
»Das ist ein guter Freund von mir, Herr Neustädter, ein Schüler von Yva. Ein großes Talent der Fotografie.«
»Du übertreibst schamlos«, wies der junge Mann das Lob von sich und setzte stattdessen ein ernstes Gesicht auf. Leise sagte er: »Ich … wir dachten, du seist längst in der Schweiz?«
Mit ebenso gesenkter Stimme erzählte Barbara Leville von ihrer Zurückweisung an der deutschen Grenze und dass sie gestern auf dem Schweizer Konsulat war und dort ein neues Visum beantragt hatte. »Aber es dauert mindestens zwei Monate, wenn nicht länger. Sie haben viel zu tun zurzeit.« Dann fragte sie in normaler Lautstärke: »Was macht die Yva? Wie geht es im Atelier und steht das Hotel Bogota noch?« Sie lenkte offenkundig von ihren Problemen ab, erkundigte sich nach Dingen, die sie noch vor zwei Wochen selbst gesehen, nach Orten, die sie selbst betreten hatte. Ihr Gegenüber schien es nicht zu bemerken oder ignorierte es zumindest.
»Ein feines Hotel, besser als meine Absteige, aber auch immer gut besucht und auch ein klein wenig über meinen finanziellen Möglichkeiten«. Barbara Leville schnitt eine Grimasse, die den beiden Männern ein Lachen abnötigte.
»Und du, Helmut, was willst du machen, wenn du genug bei der Yva gelernt hast? Schon Ideen im Kopf? Soll es ein eigenes Atelier sein?«
»Ich könnte mir vorstellen, dass ich mir erst einmal die Welt ansehe, vielleicht bereise ich Amerika. New York. Was dann wird, muss man sehen.«
»Na, bestens!«, kommentierte Fräulein Leville und tippte mit dem Finger auf den Unterarm des jungen Mannes, »dann sehen wir uns also in New York. Du machst ein paar hinreißende Fotos von mir auf dem Empire State Building, und die machen uns beide weltberühmt und steinreich, abgemacht?!«
Der junge Mann schüttelte lachend die dargebotene Hand des Fräuleins und erhob sich. Seine Verabredung war gekommen und wurde vom Kellner Franz an einen freien Tisch geleitet.
Garoche wollte in diesem Augenblick nicht noch einmal auf seine Frage nach dem Grund ihres Fortgangs aus Deutschland zurückkommen. Lieber hörte er ihren Erzählungen zu, wie es ihr im Berlin der Zwanziger ergangen war, und mehr als einmal musste Barbara hinter vorgehaltener Hand sprechen, um keine öffentliche Erregung wegen unsittlichen Verhaltens hervorzurufen. Dagegen drehten sich an den Nebentischen die Gäste des Öfteren nach ihnen um, weil Garoche und sie schallend lachten.
Kapitel 7
Nach einem Monat vergeblicher Suche nach einer Galerie trug sich Garoche schon mit dem Gedanken, die Stadt zu verlassen und nach Belgien oder Venedig zurückzukehren. In anderen Städten hatte er immerhin ab und zu ein Bild verkauft. Hier schien es gänzlich aussichtslos. In ganz Deutschland schien es aussichtslos für ihn.
Mit den Worten: »Hier ist Post für dich! Ich muss los, ich bin schon spät dran«, warf Eduard einen Brief durch die rasch geöffnete und wieder geschlossene Ateliertür auf das Kanapee des Malers, und bereits im nächsten Moment hörte Gustave nur noch Heinz, der Eduard anzischte: »Du weißt, ich hasse diese Hetzerei!«
»Dann steh nicht immer so lange vor dem Spiegel, Heinzelmann«, gab Eduard prompt Paroli.
»Du sollst mich nicht Hei…«
Garoche hörte die Wohnungstür zuschlagen, die sogleich den weiteren Protest des jungen Mannes verschluckte. Die plötzliche Stille nach dem Einlaufen des Badewassers, nach dem Singen des Freundes, laut und falsch in der Wanne, dem anschließenden Klappern des Geschirrs in der Küche und dem morgendlichen Streit zwischen Eduard und seinem Liebhaber verursachte bei dem Maler Konzentrationsstörungen. Verärgert warf er den Pinsel neben die Palette auf den Maltisch und ließ sich auf die Couch fallen. Dieser Eduard. Dann musste er über seinen Freund und die Bemerkung lachen, die er schon im Geiste vor sich hin sprach. »Aber Gustave, du weißt genau, dass ich nichts mehr vermeiden will, als dich bei deiner Arbeit zu stören. Als Entschuldigung musst du mir erlauben, dich ins ›Werthers‹ einzuladen.«
Was dann dort geschähe, wusste Gustave nur all zu gut. Bis in die frühen Morgenstunden säßen sie beim Wein und erst wenn Eduard fast völlig betrunken war, durfte Gustave seinen Freund nach Hause bringen. Eduard schwärmte dann immer, es sei ›wie in den guten alten Zeiten‹. Dass der Herr Anwalt dann zwei Tage lang unter Kopfschmerzen leiden würde und sich bei Gericht die spitzen
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