Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Freund« anredete, wirkte aus diesem Grund recht merkwürdig, auch wenn klar war, dass er die Fünfzig längst überschritten haben musste.
»Sie werden verstehen, junger Freund«, begann er dem immer noch sichtlich überraschten und überwältigten Garoche zu erklären, »dass ich diese Kunstwerke nicht in den vorderen Räumen ausstellen kann. Die Herrschaften würden mir glatt die Schaufenster beschmieren oder gleich einschmeißen und mich verprügeln. So bin ich gezwungen, all diese Schätze vor der Welt verborgen zu halten.«
Garoche hatte von den Schlägertrupps gehört, deren Uniform auch sein eigener Freund trug. Und ab und zu konnte man diese ›Herrschaften‹ in kleinen Gruppen durch die Straßen patrouillieren sehen. Sicherlich wäre ihnen ein Pechstein in einem Schaufenster ein willkommener Anlass für eine Randale.
»Warum zeigen Sie ausgerechnet mir diese Werke?«, fragte Garoche, inzwischen misstrauisch geworden gegenüber so viel Offenheit des Kunsthändlers.
»Sie sind ein Künstler«, gab Niewarth mit hochgezogenen Mundwinkeln zurück, die man schwerlich als Lächeln bezeichnen konnte.
»Ja, aber ich bin auch nicht auf den Kopf gefallen.«
»Das ist just der zweite Grund, aus dem ich Sie angesprochen habe«, fuhr Otto Niewarth fort und bot seinem Gast einen Platz auf einem Stuhl an, von dem Garoche zuvor behutsam einige Aquarelle aufnehmen und auf den Schrank daneben legen musste. Niewarth hatte sich erhoben und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Es gibt noch einen dritten Grund«, deutete der Galerist an und schob die Brille auf seiner Nase zurecht.
»Da bin ich aber gespannt.«
»Ich bin über Ihre gegenwärtige Lage informiert. Wenn ich das so offen sagen darf. Wir Kunsthändler, müssen Sie wissen, haben einen engen Kontakt untereinander, und da erfährt man so einiges. Zum Beispiel macht seit geraumer Zeit eine Information die Runde, dass ein Maler, ein gewisser Gustave Garoche, Belgier, versucht, seine Bilder in der Stadt zu verkaufen. Und das mit mäßigem bis gar keinem Erfolg.«
»Und? Ist das verboten?«
»Keineswegs, junger Freund, keineswegs.« Der unschuldige Gesichtsausdruck des Kunsthändlers verzog sich zu einer diabolischen Fratze. »Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich das andere Gerücht – so will ich es einmal nennen – nicht bewahrheiten sollte, dass nämlich neben den Bildern gefälschte Dokumente über Ausstellungen in New York und Paris vorgelegt wurden.«
Gustave Garoche fühlte Wärme in sich aufsteigen und versuchte, nicht die Fassung zu verlieren. »Wie kommen Sie auf solch absurde Gedanken?«, wies der Maler die Anschuldigung mit dem kläglichen Versuch eines Lächelns von sich. Dabei machte er Anstalten, sich zu erheben und Raum und Galerie zu verlassen.
Otto Niewarth legte seinem Gesprächspartner sanft die Hand auf die Schulter und bewegte ihn mit einem leichten Druck wieder zum Stuhl zurück. Gleichzeitig beugte er sich vor und flüsterte fast tonlos: »Lassen wir diese Mätzchen! Ich kann Ihnen versichern, ich bin ebenso wie Sie nicht auf den Kopf gefallen.« Dann nahm er die Hand von seiner Schulter, und als Garoche sitzen blieb, schob er nach: »Wir haben in Deutschland nicht mehr viele Möglichkeiten der freien Entfaltung und Information. Aber es gibt immer noch Wege und Verbindungen ins Ausland. Und da ist es durchaus möglich, bei der einen oder anderen Galerie über den einen oder anderen Künstler die eine oder andere Erkundigung einzuholen. Und zufälligerweise ist mir eine Dame bekannt, die in New York für die Galerie Julien-Levy die Ausstellungen organisiert! Miss Wan…«
Garoche hob den Arm und bedeutete, Niewarth brauche den Namen nicht auszusprechen.
Sich seiner Sache sicher fuhr der Kunsthändler fort: »Die meisten Kollegen in der Stadt sahen anscheinend, auch durch das Desinteresse an Ihrem Werk, keinen Grund, sich genauer über Sie zu informieren. Ich dagegen schätze Ihr Werk und wenn ich auch keine Bilder von Ihnen ausstellen und verkaufen kann, würde ich mich doch über eine Zusammenarbeit freuen. Ich bin der Meinung, Sie haben sehr viel Talent. Und ich meine damit nicht nur die Malerei.«
»Sie glauben doch nicht, dass Sie mit Ihrer versuchten Erpressung weit kommen. Ich bin Belgier, kein Deutscher. Bestenfalls kann man mich ausweisen. Es handelt sich lediglich um Urkundenfälschung. Ich habe noch nicht ein einziges Bild hier in Berlin verkauft. Also ist auch niemand geschädigt worden, und außerdem ist
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