Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
ein wenig kühl ist«, unterstrich Eduard, indem er die Hände aneinander rieb. »Sonst lebt niemand hier?«
Da Garoche keine Antwort gab, sprach er weiter: »Alle Achtung. Du scheinst gut zu verkaufen. Kann man denn einmal etwas von deiner Arbeit sehen?«
Eduard steuerte leichten Fußes auf eines der verhangenen Bilder zu und wollte die darüber liegende Decke ein wenig lüften. Gustave sprang dazu, und indem er die Hand des Freundes fasste, log er: »Die Werke sind mir nicht gelungen, ich möchte nicht, dass jemand sie sieht.«
»Jemand?«, fragte Eduard enttäuscht und etwas spöttisch zugleich. »Wenn ich mich recht entsinne, habe ich deine Werke schon betrachtet, als du noch ein Hosenmatz warst.« Da nicht einmal der Hauch eines Lächelns auf Garoches Gesicht zu erkennen war, fügte Eduard an: »Du bist mir immer noch böse? Dass ich deine Kunst geschmäht habe? Habe ich recht? Dann lass dir gesagt sein, dass es Unsinn war, nichts als ein kleines mieses Rachebedürfnis, und ich mich dafür vielmals entschuldige.«
Jetzt kam zum schlechten Gewissen des Malers auch noch das Gefühl hinzu, der Freund demütigte sich, um ihm, Garoche, die Möglichkeit zu geben, endlich wieder Frieden zu schließen.
»Aber nein, lassen wir das, Eduard!« Die Situation im Raum wurde ihm unangenehm, ja, beinahe unerträglich. Fieberhaft suchte er nach einem Grund, das Atelier zu verlassen. Vielleicht würde ein anderer Ort im Haus die Aussprache erleichtern. »Ich habe hier beste Möglichkeiten, mich meiner Arbeit zu widmen. Hier bin ich ungestört. Aber lass uns ins Haus gehen, dort ist es wärmer«, schlug der Maler vor und schob seinen Freund sanft aus dem Raum, um die Tür zum Atelier fest hinter sich zu verschließen.
»Habe ich dich gestört, als du bei mir am Kaiserdamm gearbeitet hast?«, nahm Eduard die Antwort auf, um den Künstler mit einer direkten Frage aus der Reserve zu locken, während er Garoche über den Steinweg ins Haus folgte.
»Nein, du nicht.«
»Wer sonst? Heinz?«
Gustave war tatsächlich einen Moment versucht, dem Geliebten Eduards die Schuld an ihrem Zwist in die Schuhe zu schieben. Aber er wusste, dass dieses Argument vor dem Urteil seines Freundes nicht bestehen würde. Immer mehr wurde Garoche von Eduard in die Ecke gedrängt, und er fand keinen Weg, um den herausfordernden Fragen seines Freundes auszuweichen. Eduard war fest entschlossen, eine plausible Antwort für den Fortgang und für das merkwürdige Treiben in diesem Haus und in der Scheune zu bekommen.
Geschürt wurden die Unruhe und die Sorge Eduards um seinen Freund durch das immense Durcheinander und Chaos, das im Haus herrschte. Es war wärmer als in der Scheune, gut, aber der Schmutz und die im Raum verteilten Kleider und Essensreste befremdeten ihn sehr. Zudem fielen ihm die Farbspuren auf, die der Maler auf dem Parkett hinterlassen hatte, als er der Wärme wegen kurze Zeit hier gearbeitet hatte.
»Sei mir nicht böse, Gustave, aber ich frage mich, wie du hier leben kannst?«
Gustave erinnerte sich an seine Ankunft hier im Haus und wie er sich beim Anblick des heruntergekommenen Katuschkes dieselbe Frage gestellt hatte.
»Woher hast du die Adresse?«, unternahm er ein weiteres Ablenkungsmanöver. Doch Eduard ließ sich nicht beirren: »Von den Männern, die deine Sachen abgeholt haben. Ich habe lange gezögert, dich zu besuchen, aber ich mache mir große Sorgen, Gustave, ganz ehrlich.«
»Unnötig, wie du siehst.«
»Ich sehe einen ziemlich heruntergekommenen Künstler und, wie mir scheint«, er deutete auf einige Wein- und Schnapsflaschen im Salon, auf dem Tisch, der Anrichte und auf dem Fußboden, »einen Trinker! Das reicht, um mir Sorgen zu machen.«
»Ich möchte dich bitten, dich nicht in meine Angelegenheiten einzumischen«, beendete Garoche die Diskussion und forderte den Freund auf zu gehen. »Ich möchte dich bitten, mich vorerst nicht mehr zu besuchen, ich kann keine Ablenkung gebrauchen.«
»Mir scheint, du könntest einen Freund gebrauchen, der dir mal ordentlich die Leviten liest.« Eduard war enttäuscht und konnte die Verletzung über Garoches Hinauswurf nicht verbergen. »Und vielleicht …«, sagte er, trat ganz dicht an den Künstler heran, und für einen Augenblick sah es aus, als wolle er die Hand gegen seinen Freund erheben. Dann jedoch drehte er sich auf dem Absatz um und verließ ohne ein weiteres Wort den Salon und das Haus.
Vom Fenster aus sah Gustave seinem Freund nach, wie er die Straße
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