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Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renegald Gruwe
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wurde es ja nun nichts mehr. Und Niewarth schied nach seiner Besorgnis, man könne sie zusammen sehen, als Begleitung ohnehin aus. Also machte sich Garoche auf zum Bahnhof Zoologischer Garten und stieg in den Zug zurück nach Potsdam.
    Der Rückweg vom Bahnhof Pötzow führte Garoche über den kleinen Platz mit den vier Eichen an seinen Ecken. Die Sonne begann langsam zu sinken und tauchte die schon fast von Laub befreiten Bäume der Königsallee in ein warmes Goldgelb. Am Eichenplatz mit der Bank in der Mitte, an der längst die Farbe abgeplatzt war, saß selten einmal ein Mensch und wenn, traf sich dort die Jugend, teilweise in HJ- und in BDM-Uniformen, um alles das zu tun, was ihnen verboten war. Zigarettenstummel lagen um die Holzbank verteilt und waren stumme Zeugen dieser Zusammenkünfte. Im Sommer versperrten die Büsche zwischen den Eichen den Blick dorthin.
    Beim Näherkommen konnte Garoche schon von der Ecke Kernerstraße einen älteren Mann auf der Bank sitzen sehen, der seinen Hut in der Hand hielt und sich mit einem Taschentuch das Gesicht wischte.
    »Guten Tag«, begrüßte der Maler den Mann und erwartete den Hitlergruß, erhielt aber als Erwiderung ebenfalls ein »Guten Tag«.
    »Möchten Sie sich setzen?«, fragte der Mann, und ohne die Antwort abzuwarten, rückte er ein Stück beiseite und fegte mit seinem Hut einige Blätter von den Holzstreben. Der Mann setzte seinen Hut auf und lüftete ihn gleich wieder, um sich vorzustellen. »Ludwig Winter, mein Name.«
    »Kommerzienrat Winter?«
    Der alte Herr nickte verblüfft und unsicher. »Entschuldigen Sie, kennen wir uns? Es wäre mir sehr unangenehm, wenn ich, ich meine Ihren Namen, leider …«
    »Sie kennen mich nicht, und ich kenne Sie nur von Erwähnungen«, beruhigte er den Kommerzienrat, nannte seinen Namen und fügte hinzu, dass er aus Belgien käme. Er entschied sich, von der Begegnung im Lebensmittelgeschäft Dorne mit der Haushälterin des Kommerzienrats, wo er den Namen das erste Mal gehört hatte, besser nicht zu erzählen.
    »Ein Bekannter, ein Maler, hat mir von Ihrer Kunstsammlung berichtet. Erwin Katuschke.«
    »Ach, der Herr Katuschke, ja, ein netter Mensch, er war ein paar Mal zu Besuch bei mir und meiner Frau. Aber er war schon lange nicht mehr bei uns. Viele Leute kommen nicht mehr in unser Haus, müssen Sie wissen, und von der Kunstsammlung ist auch nicht mehr viel übrig geblieben. Ich musste doch das ein oder andere Werk verkaufen.«
    Etwas schwer atmend brauchte Herr Winter einige Augenblicke, um weiterzusprechen. Garoche schwieg betreten und betrachtete ein Blatt, das vom Wind in seinen Schoß geweht wurde. Vorsichtig, als wäre es aus Glas, nahm er es an seinem Stiel und drehte es behutsam, als befürchtete er, das welke Blatt könne zerbrechen.
    Eichenlaub. Dies war das Laub auf dem Schulterstück der Soldaten. An den oberen, abgerundeten Spitzen des Blattes hatte sich das Grün in ein Transparentgelb gewandelt, um zum unteren Ende hin eine Nuance Indischrot anzunehmen. Nur vereinzelt behauptete sich noch die Farbe des Frühlings gegen das Herbstkleid. Die Adern, die in der Mitte und rechts und links in die ovalen Blattrundungen liefen, zeichneten sich in kräftigem Blau bis Aubergine ab und zeigten, wo der jetzt versiegte Lebenssaft dem Blatt einst die Kraft zu wachsen gespendet hatte. Ausgehend von den kräftigen Adern zogen sich feine und feinste Äderchen durch das Blatt bis in die Spitzen. Ähnlich den dünnen Linien an der Schläfe des Mannes neben ihm auf der Bank. Garoche ließ das Blatt los, und es trudelte zu den unzähligen anderen hinunter, die um die Bank und in dem kleinen Park verteilt lagen. Garoche ließ den redseligen Mann erzählen.
    »Ich war einmal angesehen in diesem Land. Nicht nur weil ich eine Anwaltskanzlei besitze, entschuldigen Sie: besessen habe, auch weil ich Berater der Regierung Schleicher war. Mein Titel wurde mir noch unter dem Kaiser verliehen. Für Verdienste um das Vaterland. Gegen die Feinde habe ich es im Weltkrieg verteidigt, und nun würde das Vaterland mich und meine Frau am liebsten loswerden. Es gab schon Andeutungen und eindeutige Aufforderungen aus höchsten Kreisen, die mir dringend rieten, Deutschland zu verlassen. Können Sie sich das vorstellen? Ich nicht!« Jetzt erst bemerkte der Mann, wie einseitig das Gespräch war, und erklärte sich: »Ich habe, außer mit meiner lieben Frau, nicht mehr viel Gelegenheit, mit jemandem zu sprechen, entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen

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