Deep Secrets - Berührung

klein wenig«, gibt er zu, und ich bin angenehm überrascht über dieses sehr menschliche Eingeständnis, dieses kleine bisschen Verletzlichkeit, das er mir zu sehen gestattet.
    Er tippt auf den Ordner. »In dem Ordner ist jede Menge Lektüre für Sie. Amanda wird Ihnen einen Mailaccount zuweisen, und dann werden Sie Online-Tests bekommen. Bestehen Sie sie, werden wir darüber reden, was genau Ihre Rolle hier sein wird. Wenn Sie die großen Fische fangen können und mit der Geschäftsabwicklung für Riptide zurechtkommen, kann ich Ihnen versichern, dass Geld kein Thema sein wird.«
    Bei dieser Neuigkeit beginnt mein Herz zu rasen. Konnte das wahr sein? Werde ich wirklich die Chance bekommen, Kunst zu meinem Lebensinhalt zu machen? »Ich werde mit den Tests gleich anfangen.«
    Er beugt sich weiter vor. »Ich sehe etwas Besonderes in Ihnen, Ms McMillan. Ich hoffe, Sie werden beweisen, dass ich recht habe.« Ohne ein weiteres Wort steht er auf und verlässt den Raum.
    Ich starre ihm nach, nage an meiner Unterlippe, und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich habe es nicht geschafft, eine Antwort zu meinem Lohn zu erhalten, aber immerhin hat er angedeutet, dass es ein großer Batzen sein würde. Das Wichtigste ist jedoch, dass ich ärgerlich über mich selbst bin, weil ich nicht nach Rebecca gefragt habe. Das wirst du noch tun, verspreche ich mir selbst. Wenn es an der Zeit ist, wirst du es tun.

8
    Dreißig Minuten später habe ich es geschafft, mein neues Büro in Besitz zu nehmen, eine Leihgabe von Rebecca natürlich, wie ich mir mahnend vergegenwärtige. Amanda hat mich bereits in den Computer eingeloggt und ist an ihren eigenen Schreibtisch zurückgekehrt. Ich bin jetzt allein, die Tür ist geschlossen, und ich bin bereit, mit der Arbeit anzufangen.
    Ich rufe meine neue E-Mail auf und finde eine Nachricht von Mark oder vielmehr Mr Compton. Ich frage mich, ob er beabsichtigt, so förmlich mit mir zu bleiben, obwohl ich gehört habe, dass er Amanda bei ihrem Vornamen genannt hat. Ich klicke auf die E-Mail.
    Willkommen, Ms McMillan:
    Sie werden einen Link zu einer Anzahl von Tests finden. Jeder hat eine Zeitvorgabe, um sicherzustellen, dass Sie das Internet nicht als Hilfsmittel benutzen, obwohl ich mir sicher bin, dass Sie es niemals in Erwägung ziehen würden, so etwas zu tun.
    Mögen die Chancen immer gut für Sie stehen, und damit auch meine.
    Mark Compton
    Ich lache bei der Anspielung auf
Die Tribute von Panem
und bin fassungslos, aber erfreut, dass mein neuer Chef Sinn für Humor hat. Inzwischen kommt es mir töricht vor, dass ich während unser Begegnung so eingeschüchtert und gehemmt gewesen bin. Ich habe auf die Faszination dieser Welt hier reagiert, auf ein tiefes Verlangen, hierherzugehören, das überhaupt nichts mit ihm zu tun hat. Es ging und geht um mich, um meine Vergangenheit, um Geister und Leichen im Keller, denen ich mich stellen muss, einfach indem ich an diesem Schreibtisch sitze. Und um die Tagebücher, rufe ich mir ins Gedächtnis, als mir der sanfte Duft von Rosen, den ich mit Rebecca assoziiere, in die Nase steigt.
    Ich ziehe die Schublade zu meiner Rechten auf, finde ein Feuerzeug und halte es an die Kerze. Die Flamme erwacht flackernd zum Leben, und mein Blick fällt auf die strahlenden Farben der Rosen an der Wand. Ich stelle mir Rebecca vor, wie sie hier sitzt, und irgendwie habe ich das Gefühl, als stünde sie hinter mir, aber es ist nicht Furcht einflößend. Ich fühle mich sogar beinahe getröstet, als sei das tanzende Feuer am Docht ein Zeichen, dass sie lebt und wohlauf ist. Ich spüre Hoffnung, dass sie zurückkehren wird, und vielleicht werde ich ebenfalls einen Platz in dieser Welt haben. Kann ich es wagen, diesem Traum nachzujagen und davon zu leben? Aufregung und Hoffnung machen sich in mir breit. Ich will es so sehr, dass es wehtut und mir Angst macht. Ich weiß, warum ich es nie versucht habe, und einer dieser Gründe, das Geld, scheint durch die Andeutung, dass ich eine Provision für meine Verkäufe bekommen werde, gelöst zu sein. Der andere Grund ist jedoch Ehrfurcht gebietend groß. Wenn ich versage, wenn ich in mein altes Leben zurückkehren muss, werde ich daran zerbrechen.
    »Du musst es versuchen«, flüstere ich in den leeren Raum hinein. »Du musst.«
    Eine neue Entschlossenheit beflügelt mich, und ich schüttle meine Ängste ab. Wenn ich hierbleiben will, wenn ich beweisen kann, dass ich diese Stelle wert bin, dann muss ich an die Arbeit gehen. Schnell mache