Deep Secrets - Berührung
verschleierter Blick sagt mir, dass ich nicht allein mit meinen Gedanken bin.
»Sie haben wirklich eine Begabung, mich in peinlichen Momenten zu beobachten«, bringe ich mit einer Stimme heraus, die rau ist von der Schärfe des Essens, oder vielleicht auch einfach nur, weil dieser Mann auf dem Planeten Erde existiert.
»Ich habe Ihnen schon gesagt, ich ziehe es vor, es als eine Begabung zu bezeichnen, Sie zu retten.«
Mich zu retten. Er sagt es zum zweiten Mal; es strömt durch meinen Körper, tief in meine Seele, und etwas lange Unterdrücktes in mir regt sich. Dann hebt es seinen hässlichen Kopf. Ich muss nicht gerettet werden. Oder? In diesem Teil tief unten, der von dem Wort »retten« berührt wurde, ruft ein alter Teil meiner selbst: Ja, ja, ja. Du musst gerettet werden. Du willst gerettet werden. Du willst, dass man sich um dich kümmert.
Ich richte mich auf und falte die Hände im Schoß. Stumm kämpfe ich gegen mein inneres Ich. Nein. Nein. Nein. Ich will nicht gerettet werden. Ich muss nicht gerettet werden. Nicht mehr. Schon sehr lange nicht mehr. Nie wieder.
Chris hebt eine Hand in Richtung Küche. »Diego«, ruft er. »Können wir für Sara eine Portion ohne die feurige Soße bekommen?« Sie wechseln Kommentare auf Spanisch, bevor Chris seine Aufmerksamkeit wieder auf mich fokussiert. Er mustert mich eindringlich, und ich kann erkennen, dass er versucht zu lesen, welches Gefühl in meinem Gesicht geschrieben steht. Viel Glück, denke ich, denn ich weiß nicht einmal selbst, was ich empfinde.
»Wie fühlt sich Ihr Mund an?«
Ich befeuchte meine brennenden Lippen, und sein Blick folgt meiner Bewegung, seine Miene verdüstert sich, und jeder Nerv, den ich besitze, kribbelt zur Antwort. »Gut«, bemerke ich, »aber nicht dank Ihnen. Sie hätten mich warnen sollen, wie scharf es war.«
»Ich erinnere mich daran, Sie ausdrücklich gewarnt zu haben.«
»Sie hätten sich mehr Mühe geben sollen. Sie wussten, dass ich halb verhungert war.«
»Sie sagen das in der Vergangenheitsform. Wollen Sie damit andeuten, Sie hätten keinen Hunger mehr?«
»Meine Zunge ist wund und wird vielleicht nie wieder dieselbe sein, aber tatsächlich, ja, ich bin immer noch halb verhungert.«
»Ich auch«, sagt er leise. »Im Grunde bin ich ausgehungert.«
Meine Kehle wird trocken. Trockener als bei den anderen zehn Malen, bei denen er eine solche Reaktion bei mir ausgelöst hat. Da ist eine elektrische Ladung in der Luft, die überall um uns herum knistert, bis ich beinahe denke, es müssten Funken zu sehen sein. Ich kann diesen Mann in allen Teilen meines Körpers spüren, und er hat mich nicht einmal berührt. Ich kann mich nicht erinnern, mir jemals in meinem Leben eines Menschen so bewusst gewesen zu sein. Ich hoffe, dass ich mir das nicht nur einbilde, bin mir aber nicht sicher, ob ich stark genug bin, mich diesem Mann zu stellen. Eigentlich hatte ich gedacht, inzwischen jenseits aller Selbstzweifel zu stehen, aber das war ein Irrtum.
Dieses lauernde Tier zwischen uns, das mich zu verschlingen droht, legt eine Atempause ein. Ich lenke ab. »Sie sollten essen, bevor alles auf Ihrem Teller kalt wird.«
»Señora.« Diego erscheint an meiner Seite und nimmt meinen Teller weg. »Geht es Ihnen gut? Was bei uns als feurig bezeichnet wird, ist wirklich feurig.« Er wirft Chris einen missbilligenden Blick zu. »Ich dachte, der Señor hätte Sie gewarnt.«
Chris hebt die Hände. »He, he, ich habe sie gewarnt.«
»Nachdem ich einen Bissen genommen hatte«, kontere ich und genieße die Gelegenheit, mich mit Diego zu verbünden und es Chris heimzuzahlen. Ein ganz klein wenig besänftigt das meine Verlegenheit.
»Bevor Sie einen Bissen genommen haben«, korrigiert er mich.
Diego sagt etwas auf Spanisch, das wie eine ärgerliche Bemerkung Chris gegenüber klingt, und dann sieht er mich an. »Er hätte Ihnen das sagen sollen, bevor Sie angefangen haben zu essen. Es tut mir leid, Señora.«
»Machen Sie sich wegen mir keine Sorgen. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Wirklich, es geht mir bestens, oder es würde mir bestens gehen, wenn Sie beide mich nicht mehr anschauen würden, als würde ich gleich in Flammen aufgehen.«
Ein Kellner erscheint, stellt einen neuen Teller vor mich hin, lässt sich den alten von Diego geben und geht wieder.
»Ich habe ihnen zwei Soßen dazugeben lassen, damit Sie kosten können«, erklärt Diego. »Die grüne ist mild. Die rote ist mittelscharf. Keine wird Ihnen auf der Zunge
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