Deep Secrets - Berührung
nervös an meiner Unterlippe. »Ich weiß nicht.«
»Was gibt es da nicht zu wissen?«
»Es ist einschüchternd, von jemand wie Ihnen gemalt zu werden, Chris. Das müssen Sie doch sicher wissen.«
»Ich bin nur ein Mann mit einem Farbpinsel, Sara. Mehr nicht.«
»Sie sind nicht nur ein Mann mit einem Farbpinsel.« Mein Blick senkt sich und liebkost eine sieben Zentimeter lange Narbe an seinem Kinn, die mir bis jetzt nicht aufgefallen ist, und ich frage mich, wie er dazu gekommen ist. Ich frage mich, wer eigentlich der Mann hinter dem Künstler ist. Meine Augen finden seine und suchen in den grünen Tiefen nach dem Blick, der mich bereits zehnmal verführt hat. »Was ist Ihre Geschichte, Chris?«
»Meine Geschichte ist auf der Leinwand, auf der ich Sie gern hätte.«
Warum ist er so beharrlich? »Darf ich … darüber nachdenken?«
»Solange ich weiterhin versuchen darf, Sie dazu zu überreden.«
Ich nutze die Gelegenheit, eine Frage zu stellen, auf deren Antwort ich brenne. »Wie lange sind Sie noch in der Stadt?«
»Bis ich das Gefühl habe, dass es reicht.«
»Also haben Sie weder feste Zeiten hier, noch feste Zeiten in Paris?«
»Ich gehe, wann immer ich das Gefühl habe, die Zeit ist richtig, mit einer Ausnahme: Jeden Oktober bin ich in Paris, um an der alljährlichen Wohltätigkeitsveranstaltung von Prominenten im Louvre teilzunehmen.«
»Wo die Mona Lisa hängt.« In meiner Stimme liegt etwas Sehnsüchtiges, das ich nicht einmal versuche zu verbergen. Ich würde dafür sterben, die Mona Lisa sehen zu können.
»Ah, haben Sie sie denn noch nicht gesehen?«
»Ich war noch niemals außerhalb der Staaten, geschweige denn in einem berühmten Pariser Museum. Abgesehen von meinem Zuhause in meiner Kindheit in Nevada war ich noch gar nicht woanders.«
»Das ist inakzeptabel. Das Leben ist so kurz und die Welt so groß und voll von den Kunstwerken, die Sie lieben. Sie sollten sich so viele wie möglich ansehen.«
»Nun, das Schöne an der Kunst ist ihre Fähigkeit, dem Betrachter zu erlauben, ein Stück von der Welt zu sehen, oder eine Geschichte, die niemals die seine sein kann und die er doch durch die Augen eines andern zu sehen vermag. Ich habe natürlich Paris durch Ihre Augen gesehen.« Ich denke kurz an das Bild hinter Marks Schreibtisch, schiebe den Gedanken aber beiseite. Ich will den unbeschwerten Ton des Gesprächs nicht verändern.
»Klingt so, als würden Sie sich selbst davon überzeugen, dass Sie nicht zu reisen brauchen, obwohl Sie reisen wollen.«
Autsch. Fast zucke ich zusammen. So viel zum Thema, einen Nerv zu treffen. Zuerst wegen des Unterrichtens, statt in der Kunstbranche zu arbeiten, und jetzt dies. »Manche Leute sind nicht reich und berühmt und in der Lage, nach Belieben um die Welt zu gondeln.«
»Autsch«, spricht er das Wort aus, das ich nur gedacht hatte. »Das saß.«
»Gut, denn darauf hinzuweisen, dass Sie die Welt sehen können und ich nicht, war unsensibel, Mr Reicher-und-berühmter-Künstler.«
Er zieht eine Augenbraue hoch. »Der cool aussieht in Lederjacke.«
»Was jetzt nicht besonders weiterhilft, oder?«
»Ich kann Ihnen anbieten, Sie in Paris herumzuführen.«
Ich blinzle. Hat er gerade angedeutet, dass ich nach Paris reisen solle, um ihn zu treffen? Nein. Nein. Ich interpretiere zu viel hinein. »Paris ist ein großes Vorhaben. Ich habe beschlossen, meine Reiseziele mit New York City als Nummer eins zu beginnen.«
»Aus irgendeinem speziellen Grund?«
»Weil sich die Gelegenheit bietet. Mark scheint zu denken, ich sei geeignet, für Riptide eingesetzt zu werden. Darum zwingt er mich, alles über Wein, Opern und klassische Musik zu lernen.«
Sein Gesichtsausdruck verändert sich nicht, aber die Atmosphäre tut es, sie ist plötzlich ziemlich angespannt. »Mark hat Ihnen gesagt, dass er Ihnen einen Job bei Riptide verschaffen würde?«
»Nun, ich würde sagen, er hat eher darauf angespielt.«
»Darauf angespielt. Wie?«
»Die Quintessenz war, dass er größere Dinge mit mir vorhat, als mich für einen Sommer im Verkauf in der Galerie einzusetzen. Aber um diese Dinge zu erreichen, muss ich bereit sein, mit der Art von Klientel zu kommunizieren, die Riptide mit seinen Veranstaltungen anzieht.« Ich runzle die Stirn, weil ich feststelle, dass er mit dem Finger auf den Tisch klopft. »Was denn? Was ist los?« Mein Handy klingelt, ein mieses Timing. Ohne den Blick von Chris abzuwenden, nehme ich es aus meiner Handtasche. Ich schaue auf das Display und
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