Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
wenn das verlängerte Ultimatum ablief, würde die Welt einen anderen, schwachen George T. Gilles kennen lernen. Diesbezüglich war sich Miller sicher. Sein Unmut über die unglaubliche Arroganz, mit der das amerikanische Volk anscheinend über die Geschehnisse des Tages hinweg sah, wich daraufhin einer Amüsiertheit und er entschloss sich kurzerhand, noch einen Drink einzunehmen und mit ein paar oberflächlichen Geldsäcken der amerikanischen Oberschicht belanglose Worte zu wechseln.
Nach einem kurzen Blick in die Hotelinformationen fiel seine Wahl auf die Sir Harry`s Bar , die sich im unteren Bereich der Lobby befand. Er kleidete sich zweckmäßig in einen dunklen Anzug und ein dunkles Hemd aus feinster Seide, verzichtete allerdings aufgrund der vorgerückten Stunde auf eine Krawatte. Als er sein Zimmer verließ, nickte ihm ein bewaffneter Agent des Secret Service skeptisch zu und musterte ihn gleichzeitig anerkennend. Wer sich hier oben eine Suite leisten konnte, gehörte zur Crème de la Crème der Gesellschaft. Mit seinem Outfit, seiner Körpersprache und seinem selbstsicheren, leicht herablassenden Blick war Miller die personifizierte Verkörperung des multikulturellen Geschäftsmanns, der rund um den Globus sein Geld verdiente und erfolgreich vermehrte.
»Ich glaube, wir haben seit langer Zeit mal wieder einen richtig guten Präsidenten. Darauf stoße ich an. Wir Amerikaner lassen uns nicht unterkriegen, nicht wahr?«, sagte Miller zu dem Agenten, der eine Tür zum Treppenhaus bewachte und mit einem geräusperten Sir! seinen knappen Kommentar dazu gab.
Dann öffneten sich die goldenen Aufzugstüren und Steve Miller wurde von einem Hotelpagen gefragt, zu welcher Etage er wolle. Miller nannte die Bar als Ziel und der Page betätigte den entsprechenden Knopf. Es ging abwärts, während diverse Gäste mit dem gleichen Ziel nach und nach den geräuschlosen Aufzug füllten. Miller stockte für eine Sekunde der Atem, als er einen der zutretenden Gäste von den Bildern der abendlichen Live-Berichterstattung wieder erkannte.
Der Mann war groß, blond und von sportlicher Statur. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd, dessen Hemdkragen offen stand. Seine gesamte Erscheinung war lässig und maskulin. Sein markantes Gesicht und seine stechenden blauen Augen erzeugten bewundernde Blicke bei den weiblichen Hotelgästen. Seine sonnengebräunte Haut verriet, dass der Mann viel Zeit an der freien Luft verbrachte. Miller schätzte den Mann auf Mitte vierzig, und er fragte sich, in welcher Funktion er wohl an Bord des Präsidentenhubschraubers gewesen war. Dann entdeckte er ein Detail an dem Mann, als dieser für einen Moment seine lässig in die Hosentaschen gesteckten Hände offenbarte. Am Mittelfinger dessen linker Hand hing ein schlichter silberfarbener Ring, auf dem ein seltsames Motiv eingraviert war. Miller schaute ein zweites Mal unauffällig auf den Ring, als er bemerkte, dass die Gravur kein exotisches Insekt, sondern die stilisierte Abbildung eines fliegenden Fisches war. Dies und die Tatsache, dass sich unter dem Jackett etwas ausbeulte, was Miller als Waffenholster interpretierte, weckte nun endgültig seine Neugierde.
Der gut aussehende Fremde schlug den gleichen Weg wie Miller ein und steuerte zielstrebig auf einen der freiwerdenden Barhocker in der Bar zu. Wie zufällig setzte sich Miller direkt neben den Mann, den eigenartigen Ring verstohlen betrachtend.
»Was für ein Tag. Ich bin gespannt, ob der Präsident diese Krise durchsteht«, eröffnete Miller das Gespräch, während er einen Scotch orderte.
Der Fremde drehte sich kurz um und erwiderte die Einladung zum Small Talk mit einem knappen aber freundlichen: »Ich denke schon. Jedenfalls möchte ich nicht in der Haut dieses Abschaums stecken, dem wir diesen Schlamassel zu verdanken haben.«
»Abschaum? Ach, Sie meinen die Terroristen? Ja, glauben Sie denn, der Präsident kommt diesen Leuten auf die Spur? Für mich klang das alles ein wenig weit hergeholt. Die amerikanische Regierung tappt bestimmt im Dunkeln. Oder was meinen Sie?«
Der Fremde orderte zwei Gläser Scotch und bedachte Miller mit einem strafenden Blick.
»Denken Sie, was Sie wollen. Aber man wird diese feigen Bastarde finden. Früher oder später. Und dann werden sie winseln und sich wahrscheinlich auf ihre verfassungsmäßigen Rechte berufen. Auf dieselben Rechte übrigens, die sie heute in den Schmutz gezogen haben. Ist doch immer dasselbe mit diesem fanatischen
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