Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
Präsident bin, werde ich nicht den Befehl erteilen, auf die eigene Bevölkerung zu schießen. Und ohne die genaue Sachlage vor Ort in Florida zu kennen, werde ich auch nicht kluge Ratschläge an die Experten der NASA erteilen, ob sie Atlantis frühzeitig starten oder nicht. Ich möchte abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Noch gibt es keine Forderungen, noch ist unser Shuttle nicht verloren, noch besteht Hoffnung. Hoffen wir auf ein unblutiges Ende. Und jetzt möchte ich mit der NASA verbunden werden. Die sollen mir eine direkte Leitung zum Cockpit der Raumfähre herstellen lassen, damit ich der Crew meine Entscheidung mitteilen kann. Vielleicht ist dies die letzte Chance, mit meiner Tochter zu sprechen.«
KAPITEL 68
24.04., 20.15 Uhr
Cape Canaveral, Space Shuttle Atlantis
T racy Gilles lag auf dem Rücken in ihrem Pilotensitz und sah irritiert aus dem kleinen Seitenfenster des Cockpits, wo sich einige Lichtreflexe am Versorgungsturm der Rampe spiegelten. Sie rappelte sich mühevoll hoch, beugte sich über die Mittelkonsole und hielt schützend die Hand vor das Helmvisier, als sie ein heller Scheinwerferstrahl, der die Intensität eines grellen Flutlichts hatte, blendete. Sie hatten Besuch bekommen, der sich mit einem hohen rhythmischen Surren in der Nähe der Abschussrampe bemerkbar machte.
»Wie sind jetzt seit über einer Stunde ohne Kommunikation mit CAPCOM und jetzt das da. Kann mir mal bitte jemand sagen, was hier eigentlich vor sich geht? Seit wann sind wir für die Medien so interessant, dass sie uns mit mehreren Helikoptern gleichzeitig so nah auf die Pelle rücken?«
Neugierig kämpfte sich der Kommandant der Atlantis , Doug Brown, aus seinem Spezialsitz hoch. Der muskelbepackte farbige New Yorker schaffte es trotz seines massiven Körperbaus, eine elegante Figur in dem hinderlichen Raumanzug abzugeben. Mit einem breiten, aber trotzdem angespannt wirkenden Grinsen drehte er sich kurz zu den fünf Nutzlastspezialisten um, die – in zweiter Reihe liegend – unmittelbar vor dem Start nichts anderes tun konnten, als auf eine Entscheidung zu warten.
»Was ist da los, Tracy? Bessert die NASA jetzt die Portokasse auf, indem sie ein paar VIPs kurz vor dem Start um unser Baby fliegt?«
»Ich mache mir langsam wirklich Sorgen. Die Helikopter scheinen da draußen etwas zu suchen. Sie leuchten aus sicherer Entfernung mit ihren Suchscheinwerfern den Versorgungsturm aus. Also wenn schon etwas nicht stimmt, könnte man uns hier wenigsten auf dem Laufenden halten. Mittlerweile wird die Sache richtig unheimlich. Du solltest dich nochmal direkt ans Startzentrum wenden, Doug.«
»Um wieder die gleiche beschissene Antwort zu bekommen? Houston hat diesmal anscheinend wirklich ein Problem.«
»Die haben wahrscheinlich die Telefonrechnung nicht bezahlt, deshalb kommt die Verbindung nicht zustande«, meldete sich Jim Davis aus dem Hintergrund. Für den schlaksigen grauhaarigen Texaner, der als Laderaumexperte engagiert worden war, war es bereits die fünfte Mission.
»Nein, ernsthaft, Doug. Funk doch noch mal das SKZ an, warum sich CAPCOM einfach nicht meldet«, bat Tracy ihren Kommandanten, der daraufhin einen Seufzer ausstieß und sich in seinen Co-Pilotensitz zurücklehnte.
»Ich wette 10:1, dass Nicole Borman weiterhin auf stur macht. Aber ich versuche es trotzdem.«
»Danke!«
Brown betätigte einen kleinen runden Frequenzregler an den Kommunikationskanälen und versuchte, eine Reaktion vom Startkontrollzentrum auf Cape Canaveral zu bekommen. »SKZ, hier ist die Atlantis . Was ist der Grund für die Funkstille, haben wir ein Problem? Müssen wir den Start abbrechen? Und was sollen eure Hubschrauber hier draußen? Wäre schön, wenn Ihr uns mal aufklären würdet.«
Die einzige Antwort war ein knisterndes Rauschen, als ob auf der anderen Seite der Leitung jemand einen Wasserkocher und einen Rasierapparat gleichzeitig in Betrieb hatte. Verärgert versuchte es Brown ein zweites Mal.
»Hört mal, Leute, das ist langsam nicht mehr komisch. Wir würden wirklich gerne wissen, ob ihr im GO NO GO seid und was diese Helis hier sollen. Wir sind zwar alle freiwillig in diese Sardinenbüchse gestiegen, aber ein bisschen mehr Unterhaltungsprogramm könntet ihr uns schon bieten, während wir hier in die schönen neuen Raumanzüge pinkeln. Also was ist jetzt? Bekommen wir eine Antwort?«
Von hinten war ein Kichern zu hören, welches durch den Japaner Akihiko Yoshido verursacht wurde und dem sich Jim Davis anschloss. Mit
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