Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
Erde und die Astronauten erleben jede Stunde einen Sonnenaufgang und einen Sonnenuntergang. Es muss etwas Wunderbares sein, wenn man so etwas erleben darf. Und es kann umgekehrt nur tiefstes Unverständnis hervorrufen, wenn man sich dieser göttlichen Kraft nicht entziehen kann. Wer nicht Demut und Bescheidenheit, Nächstenliebe und Göttlichkeit auf so einem Flug erlebt, wer nur hassverblendet und ideologisch gebrandmarkt eine solche Erfahrung an sich vorbeiziehen lässt, der verdient unser Mitleid.
Meine lieben Amerikaner, liebe freiheitsliebenden Nationen auf der ganzen Welt! Beten Sie in diesen Stunden und Tagen dafür, dass nicht der Hass in die Welt und darüber hinaus getragen wird, sondern die Liebe, die Vernunft und freiheitliches Gedankengut. Ich appelliere an die Geiselnehmer in Houston und an die Kidnapper von Commander Brown und meiner Tochter Tracy. Bitte lassen Sie uns … bitte … ah … ah …«
Ein entsetzter Aufschrei ging durch die große Halle des Museums, als George T. Gilles sich plötzlich an die Brust fasste und nach Atem rang. In Nahaufnahme fingen die Kameras ein, wie der Präsident schwankte, einen Schritt nach vorne trat und dann zusammensackte. Sofort liefen die Sicherheitskräfte und die engsten Berater an seine Seite, um sich um ihn zu kümmern. Das Notfallteam, bestehend aus zwei Ärzten und einem medizinischen Assistenten, fühlten den Puls und die Atmung. Jemand lockerte Gilles die Krawatte und richtete den Oberkörper auf. Der Secret Service schirmte die Schar der Journalisten, die ein Foto der dramatischen Situation machen wollten, hermetisch ab. Zwei Fernsehkameras, welche auf rollfähigen Dollys standen, bewegten sich näher an das Zentrum des Geschehens. Zwei Minuten nach dem Zusammenbruch des Präsidenten bahnte sich ein Notfallteam mit einer fahrbaren Bahre den Weg durch die Zuschauer. George T. Gilles wurde auf eine Liege gehoben und durch einen vorher festgelegten Fluchtweg zur Rückseite des Gebäudes geschoben.
Die letzten Bilder, welche durch die laufenden Kameras eingefangen wurden, zeigten einen mit Sauerstoffmaske, Defibrillator und Infusionsbeutel umgebenen Präsidenten, dessen rechter Arm schlaff über den Rand der Transportliege hing. Dann heulten die Sirenen der Ambulanz auf und eine Kolonne meist gepanzerter Fahrzeuge bahnte sich mit überhöhter Geschwindigkeit den Weg durch die Regierungshauptstadt, dem George Washington Hospital entgegen.
Tief in der Nacht, fast vier Stunden nach Beginn seiner Rede, gegen 02.56 Uhr, gab die Klinikleitung die Ursache des Zusammenbruchs des Präsidenten bekannt. George T. Gilles hatte einen Herzinfarkt erlitten, dessen unerwartetes Auftreten ursächlich nicht nur in der körperlichen, sondern ebenso in der mentalen Situation des Patienten lag. Ein Blutgerinnsel in der arteriosklerotisch veränderten Engstelle eines Herzkranzgefäßes hatte einen Teil des Herzmuskelgewebes absterben lassen und die körperliche Kettenreaktion ausgelöst. Dem ansonsten so vitalen Präsidenten hatten der Stress der letzten Monate und die unglaubliche psychische Belastung der letzten Stunden extrem zugesetzt. Nur dank dem Erkennen der beobachteten Symptome und den darauf hin unmittelbar eingeleiteten Sofortmaßnahmen war Schlimmeres verhindert worden.
Die Klinikleitung verwies darauf, dass George T. Gilles in den nächsten fünf bis acht Tagen seinen Amtsgeschäften nicht nachgehen könne. Aus Sicherheitsgründen wollten ihn die Ärzte in den nächsten zwölf Stunden auf der Intensivstation behalten.
Das Staatsoberhaupt war krankheitsbedingt außer Stande, in einer der schwersten Krisen der Vereinigten Staaten von Amerika die Nation zu führen und zu vertreten. Doch noch in den frühen Morgenstunden und entgegen dem Willen der Ärzte entschied sich George T. Gilles zu einer kurzen Unterredung mit seinem Vizepräsidenten und seinem Sicherheitsberater am Krankenbett. Bei dieser Gelegenheit übergab er bis zur vollständigen Widergenesung die Amtsgeschäfte an Walter Franklin.
FÜNFTES BUCH
Das Ultimatum
KAPITEL 71
26.04., 18.45 Uhr UTC
Apogäum, Internationale Raumstation ISS
Z weihundert und fünfzig Meilen über dem Indischen Ozean, mit einer Relativgeschwindigkeit von 18.000 Meilen pro Stunde, in einer Position, die der weitesten Entfernung von der Erde, dem sogenannten Apogäum, entsprach, bewegte sich das größte je von Menschenhand ins All beförderte Objekt, die Internationale Raumstation ISS, wie ein riesiges feingliedriges Insekt
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