Defekt
Maschine
starten.“
„Du solltest etwas essen.“
„Ich habe keinen Hunger.“
„Was hältst du von einem Omelette mit
Vermont-Cheddar? Du musst etwas in den Magen kriegen. Dann geht es dir gleich
besser.“
Sie sitzt auf der Ofenbank und beobachtet ihn, das
Kinn in die Hand gestützt. Den Gürtel des Morgenmantels hat sie fest
zugebunden, und ihr Körper zeichnet sich unter der schimmernden schwarzen
Seide ab. Er begehrt sie so wie immer. Schon bei ihrer ersten Begegnung vor
etwa fünfzehn Jahren hat er sie begehrt. Sie waren beide Leiter einer
Dienststelle. Sein Reich war die Abteilung Verhaltensforschung beim FBI, ihres
das Gerichtsmedizinische Institut des Bundesstaates Virginia. Damals, während
der Ermittlungen in einem besonders grausamen Mordfall, kam sie in den
Konferenzsaal spaziert. Noch immer steht ihm das Bild vor Augen, wie sie damals
ausgesehen hat. Sie trug einen langen weißen Laborkittel mit Stiften in den
Brusttaschen über einem perlgrauen Nadelstreifenkostüm und hatte einen Stapel
Akten bei sich. Ihre Hände - stark, tüchtig, aber elegant - haben ihn besonders
fasziniert.
Er bemerkt, dass sie ihn anstarrt.
„Mit wem hast du vorhin telefoniert?“, fragt er.
„Ich habe dich mit jemandem reden hören.“
Sie hat ihren Anwalt angerufen, denkt er. Oder Lucy.
Irgendjemanden, um anzukündigen, dass sie ihn verlässt und dass sie es diesmal
ernst meint.
„Ich habe versucht, Dr. Seif zu erreichen, und ihr
eine Nachricht hinterlassen“, erwidert sie.
Das Erstaunen steht ihm ins Gesicht geschrieben.
„Du erinnerst dich doch sicher an sie“, meint
Scarpetta. „Vielleicht kennst du sie ja aus dem Radio“, fügt sie spöttisch
hinzu.
„Verschone mich.“
„Du wärst nicht der Einzige, der sich ihre Sendung
anhört.“
„Aus welchem Grund rufst du sie an?“, erkundigt er
sich.
Sie erzählt ihm von David Luck und seinem Rezept und
auch, dass Dr. Seif bei ihrem letzten Anruf nicht sonderlich hilfsbereit war.
„Kein Wunder. Die Frau ist überkandidelt und kreist
nur um sich selbst. Aber bei diesem Namen ist das ja eigentlich nicht weiter
verwunderlich.“
„Genau genommen hatte sie Recht, denn ich habe
keinerlei Befugnis. Schließlich ist unseres Wissens noch niemand zu Tode
gekommen. Also ist Dr. Seif nicht verpflichtet, der Gerichtsmedizin Auskünfte
zu geben. Außerdem bin ich nicht so sicher, ob sie wirklich spinnt.“
„Jedenfalls ist sie eine psychiatrische Nutte. Hast
du in letzter Zeit mal ihre Sendung gehört?“
„Also kennst du sie doch.“
„Das nächste Mal lade bitte einen richtigen
Psychiater ein, um einen Vortrag an der Akademie zu halten, nicht so eine Kurpfuscherin.“
„Die Idee kam nicht von mir, und ich habe keine
Zweifel daran gelassen, dass ich dagegen war. Aber Lucy hat nun einmal das
letzte Wort.“
„Das ist doch lächerlich. Lucy verabscheut Leute wie
sie.“
„Ich glaube, der Vorschlag, Dr. Seif als
Gastrednerin einzuladen, stammte von Joe. Eine Prominente für die Vortragsreihe
im Sommer zu gewinnen war sein erstes großes Projekt, als er seine
Facharztausbildung bei uns anfing. Außerdem ist er mehrere Male als Gast in
ihrer Sendung gewesen, und ich bin gar nicht erfreut darüber, dass sie im Radio
über die Akademie sprechen.“
„Schwachkopf! Die beiden sind offenbar füreinander
geschaffen.“
„Lucy hat nicht richtig aufgepasst und natürlich
keinen einzigen der Vorträge besucht. Ihr war es egal, was Joe so treibt.
Inzwischen scheint ihr das meiste ohnehin gleichgültig zu sein. Was sollen wir
tun?“
Sie spricht nicht mehr von Lucy.
„Ich weiß nicht.“
„Als Psychologe solltest du es aber wissen.
Schließlich hast du tagtäglich mit Problemen und Elend zu tun.“
„Heute Morgen fühle ich mich selbst elend“, sagt er.
„Da hast du ganz Recht. Wenn ich dein Psychologe wäre, würde ich vermutlich zu
dem Schluss kommen, dass du deine Wut an mir auslässt, weil Lucy nicht als
Sündenbock zur Verfügung steht. Auf einen Menschen, der an einem Gehirntumor
leidet, darf man nämlich nicht wütend sein.“
Scarpetta öffnet die Kaminklappe und legt ein
weiteres gespaltenes Holzscheit ins Feuer. Es kracht, und Funken sprühen.
„Sie hat mich schon immer wütend gemacht“, gibt sie
zu. „Kein Mensch stellt meine Geduld auf eine so harte Probe, wie sie es tut.“
„Lucy ist Einzelkind und wurde von einer Mutter
großgezogen, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet“, erwidert
Benton. „Einer
Weitere Kostenlose Bücher