Defekt
musst du was
bestellen.“
Langsam steht er auf, dreht weiter an seinem
Waschlappen herum und starrt Marino an. Sein Blick wirkt müde und resigniert,
aber es schwingt noch etwas anderes darin mit.
„Ich dachte, du hättest vielleicht Lust auf ein
Spielchen“, sagt er zu Marino.
„Raus!“, brüllt Rosie.
„Ich erledige das“, sagt Marino und nähert sich dem
Mann.
„Komm, ich begleite dich nach draußen, Kumpel, ehe
es zu spät ist. Du weißt ja, wie sie sein kann.“
Der Mann sträubt sich nicht. Er stinkt nicht ganz so
schlimm, wie Marino befürchtet hat, und folgt ihm brav hinaus auf den Gehweg,
wo der minderbemittelte Jugendliche immer noch die Parkuhr schüttelt.
„Das ist kein Apfelbaum“, erklärt Marino dem jungen
Mann.
„Verpiss dich.“
Marino geht auf ihn zu. Er überragt den Jungen,
dessen Augen sich weiten, ein gutes Stück. „Habe ich dich gerade richtig
verstanden?“
„Ich habe drei Vierteldollar da reingeschmissen.“
„Ist das nicht ein Jammer? Ich würde vorschlagen,
dass du mit deiner Rostlaube hier verschwindest, bevor ich dich wegen
Beschädigung von städtischem Eigentum festnehme“, droht Marino, obwohl er gar
nicht mehr befugt ist, jemanden festzunehmen.
Der obdachlos aussehende Mann aus der Kneipe
entfernt sich langsam und schaut sich dabei immer wieder um, als erwarte er,
dass Marino ihm nachkommt. Als er gerade etwas sagen will, lässt der Junge
seinen Mustang aufheulen und rast davon.
„Redest du mit mir?“, fragt Marino den obdachlos
aussehenden Mann und folgt ihm.
„Das tut er immer“, erwidert der obdachlos
aussehende Mann ruhig. „Dieser Junge. Noch nie hat er auch nur fünf Cent in
eine Parkuhr geworfen, aber er schüttelt sie wie blöd, bis sie kaputtgehen.“
„Was willst du?“
„Am Abend bevor es passiert ist, war Johnny hier“,
antwortet der Mann.
„Wovon redest du?“
„Du hast mich genau verstanden. Und er hat sich auch
nicht umgebracht. Ich weiß, wer es war.“
Marino wird von einem merkwürdigen Gefühl ergriffen,
demselben wie an dem Tag, als er Mrs. Simisters Haus betreten hat. Er bemerkt
Lucy, die langsam auf ihn zukommt. Heute hat sie, anders als sonst, keine
weiten schwarzen Sachen an.
„Wir haben an dem Abend, ehe es geschehen ist,
zusammen Billard gespielt. Seine Arme waren zwar geschient, aber das hat ihn
offenbar nicht gestört. Er hat trotzdem gut gespielt.“
Marino mustert Lucy unauffällig. Heute passt sie
hierher und sieht aus wie jede andere Lesbe, die sich einen netten Abend machen
will; jungenhaft, aber attraktiv und erotisch in teuren Jeans, ausgeblichen und
voller Löcher. Unter der weichen schwarzen Lederjacke lugt ein weißes T-Shirt
hervor, durch das sich ihre Brüste abzeichnen. Marino fand ihre Brüste schon
immer hübsch, obwohl er sie eigentlich gar nicht wahrnehmen dürfte.
„Ich habe ihn nur einmal gesehen, als er mit diesem
Mädchen hier war“, fährt der Obdachlose fort. Dabei blickt er sich um, als
verunsichere ihn etwas, und er kehrt der Kneipe den Rücken zu. „Die solltest du
suchen. Mehr sage ich nicht.“
„Was für ein Mädchen? Und welchen Grund hätte ich,
mich dafür zu interessieren“, erwidert Marino. Er beobachtet, wie Lucy näher
kommt, und vergewissert sich, dass ihr von nirgendwoher Gefahr droht.
„Hübsch“, antwortet der Mann. „So, dass Männer und
Frauen auf sie stehen. Sexy angezogen. Sie war hier nicht erwünscht.“
„Ich hatte vorhin ganz den Eindruck, dass du hier
auch nicht erwünscht bist. Schließlich bist du gerade rausgeflogen.“
Lucy betritt das Deuce, ohne Marino und den
Obdachlosen eines Blickes zu würdigen.
„An diesem Abend bin ich nur deshalb nicht
rausgeschmissen worden, weil Johnny mir einen Drink ausgegeben hat. Wir haben
Billard gespielt, und das Mädchen saß neben der Jukebox und schaute sich um,
als hätte es noch nie im Leben den Fuß in so eine Bruchbude gesetzt. Ein
paarmal war sie auf dem Klo, und anschließend hat es dort nach Gras gerochen.“
„Gehst du öfter aufs Damenklo?“
„Ich habe eine Frau am Tresen reden gehört. Das
Mädchen sah aus, als könnte es Ärger machen.“
„Weißt du zufällig, wie sie hieß?“
„Keinen Schimmer.“
Marino zündet sich eine Zigarette an. „Was bringt
dich auf den Gedanken, dass sie etwas mit Johnnys Tod zu tun haben könnte?“
„Ich fand sie unsympathisch. Keiner hier mochte sie.
Mehr weiß ich nicht.“
„Sicher?“
„Ja, Sir.“
„Du solltest mit niemandem darüber
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