Defekt
das der
Täter berührt hat. Auch die Reste von Drogen oder anderer Substanzen, die sich
an der Hand des Betreffenden befanden - beispielsweise Tinte oder Farbe -,
können mit hoch technisierten Apparaturen wie dem Gas-Chromatographen oder dem
FTIR-Spektrometer-Mikroskop untersucht werden. Früher hatte jedes Indiz einen
Soloauftritt, doch dank vieler komplizierter und empfindlicher Gerätschaften
hat sich dieses Solo in ein Streichquartett oder sogar in eine Symphonie
verwandelt. Allerdings bleibt die Frage bestehen, welcher Aspekt zuerst
überprüft werden soll, da manche Tests einander ausschließen. Und deshalb
setzen sich die Wissenschaftler zusammen, für gewöhnlich in Matthews Labor, wo
sie den Fall diskutieren und entscheiden, was sie zuerst erledigen wollen.
Als Matthew die Latexhandschuhe aus Daggie Simisters
Haus auf den Tisch bekam, stand er vor einer Reihe von Alternativen, von denen
allerdings keine den Erfolg garantierte. Er hätte Untersuchungshandschuhe aus
Baumwolle anziehen und die umgestülpten Latexhandschuhe darüberstreifen können.
Wenn er die schlaffen Latexhandschuhe mit seinen eigenen Händen ausgefüllt
hätte, wäre es ihm leichter gefallen, latente Fingerabdrücke abzunehmen und zu
fotografieren. Jedoch hätte er es auf diese Weise unmöglich gemacht, die
Fingerabdrücke durch das Eindampfen mit Superglue zum Vorschein zu bringen, mit
einer alternierenden Lichtquelle und Leuchtpulver danach zu suchen oder die
Handschuhe mit Chemikalien wie Ninhydrin oder Diazafluoren zu behandeln. Häufig
behindert ein Testverfahren ein anderes, und der Schaden lässt sich in den
seltensten Fällen rückgängig machen.
Inzwischen ist es halb neun. In dem kleinen Labor
geht es zu wie bei einer Mitarbeiterkonferenz im Miniaturformat, als Matthew,
Marino, Joe Arnos und drei weitere wissenschaftliche Mitarbeiter sich um einen
großen Kasten aus durchsichtigem Plastik, den Leimtank, versammeln. Drinnen
sind zwei umgestülpte Latexhandschuhe, einer davon blutig, an Klammern befestigt.
In den blutigen Handschuh hat jemand kleine Löcher geschnitten. Andere Stellen,
innen wie außen, wurden auf DNA-Spuren untersucht, und zwar so, dass keine
möglichen Fingerabdrücke in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Anschließend
musste Matthew zwischen „Tür Nummer eins“, „Tür Nummer zwei“ und „Tür Nummer
drei“ wählen, wie er gern eine Entscheidung nennt, bei der Instinkt, Erfahrung
und Glück ebenso gefragt sind wie wissenschaftliche Fachkenntnisse. Er hat
beschlossen, die Handschuhe zusammen mit einem Folienpäckchen Superglue und
einem Tellerchen voll warmem Wasser in den Tank zu stecken.
Das Ergebnis war ein sichtbarer Fingerabdruck, und
zwar von einem linken Daumen, konserviert in hartem weißem Leim. Nachdem
Matthew den Abdruck mit schwarzem Gel abgenommen hat, hat er ihn fotografiert.
„Alle sind hier“, meldet er Scarpetta am Telefon,
das auf Lautsprecher geschaltet ist. „Wer möchte anfangen?“, fragt er die
Kollegen, die sich um den Untersuchungstisch scharen. „Randy?“
Randy, der DNA-Spezialist, ist ein sonderbarer
kleiner Mann mit Hakennase und Silberblick. Matthew mochte ihn noch nie
besonders, und als Randy zu sprechen beginnt, wird ihm auch wieder klar, warum.
„Nun ja, ich hatte es mit drei potenziellen
DNA-Quellen zu tun“, beginnt Randy, erbsenzählerisch wie immer. „Mit zwei
Handschuhen und zwei Ohrabdrücken.“
„Das macht vier“, hallt Scarpettas Stimme durch den
Raum.
„Ja, ich meinte auch vier. Natürlich hoffte ich, an
der Außenseite des einen Handschuhs, das heißt aus dem getrockneten Blut, DNA
sicherstellen zu können. Möglicherweise auch Spuren von der Innenseite beider
Handschuhe. Aus den Ohrabdrücken hatte ich bereits DNA-Spuren entnommen“,
erinnert er seine Kollegen, „und zwar, indem ich einen Abstrich durchgeführt
habe, ohne den Abdruck selbst zu beschädigen, sodass individuelle Ausprägungen
und potenziell charakteristische Eigenschaften wie die schwache Ausprägung der
Anthelix weiterhin sichtbar blieben. Wie Sie wissen, haben wir die Daten mit
CODIS abgeglichen, allerdings ohne Ergebnis. Doch wir haben gerade
festgestellt, dass die DNA des Ohrabdrucks mit der im Inneren eines der
Handschuhe übereinstimmt.“
„Nur in einem?“, fragt Scarpetta.
„In dem blutigen. An dem anderen Handschuh habe ich
nichts entdecken können. Vermutlich wurde er nie getragen.“
„Das ist aber merkwürdig“, verwundert sich
Scarpetta.
„Natürlich
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