Defekt
ausgehen, dass es neue
Entwicklungen gegeben hat?“, fragt er.
„Es macht langsam den Eindruck“, antwortet Marino.
„Wenn wir Gewissheit haben, erfahren Sie es als Erster. Um es einmal
vorsichtig auszudrücken: Wir haben einige Erkenntnisse gewonnen, denen zufolge
Johnny Swift mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ermordet worden ist.“
„Ich ändere gern die Todesursache, wenn Sie Beweise
dafür finden. An diesem Fall war von Anfang an etwas merkwürdig. Aber ich muss
mich an die Indizien halten, und bis jetzt haben die Ermittlungen nichts
Zuverlässiges ergeben, auch wenn ich spontan auf Selbstmord getippt habe.“
„Wenn da nicht das verschwundene Schrotgewehr wäre.“
Marino kann nicht anders, als ihn daran zu erinnern.
„Ich habe schon die merkwürdigsten Fälle erlebt,
Pete. Und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft die Familie bei meiner
Ankunft bereits sämtliche Beweise manipuliert hatte, um den guten Ruf ihres
geliebten Angehörigen zu schützen. Insbesondere bei einem autoerotischen
Erstickungstod. Wenn ich auftauche, sind die Pornozeitschriften und
Fesselungsgeräte meist wie vom Erdboden verschluckt. Mit Selbstmorden ist es
dasselbe. Die Familien wollen es geheim halten oder die Versicherungssumme
kassieren und verstecken deshalb die Pistole oder das Messer. Der Phantasie des
Menschen sind keine Grenzen gesetzt.“
„Wir müssen über Joe Arnos reden“, meint Marino.
„Eine Enttäuschung“, erwidert Dr. Bronson, und seine
sonst so freundliche Miene verfinstert sich. „Offen gestanden bedauere ich es,
dass ich ihn Ihrem ausgezeichneten Institut empfohlen habe. Besonders Kay tut
mir Leid. Sie hat es nicht verdient, sich mit diesem arroganten Burschen
herumärgern zu müssen.“
„Genau darauf wollte ich hinaus. Weshalb haben Sie
ihn uns denn empfohlen?“
„Wegen seines beeindruckenden Werdegangs und seiner
Referenzen. Er hat an namhaften Universitäten studiert.“
„Haben Sie seine Akte noch? Das Original?“
„Aber selbstverständlich. Das habe ich natürlich
behalten und Kay eine Kopie geschickt.“
„Haben Sie sich bei diesen namhaften Universitäten
oder seinen früheren Arbeitgebern erkundigt, ob seine Zeugnisse auch echt
sind?“ Marino fragt ihn das nur ungern. „Heutzutage lässt sich so etwas leicht
fälschen. Da gibt es einschlägige Computerprogramme, oder man lädt es sich
einfach aus dem Internet herunter. Deshalb wird der Diebstahl von Identitäten
ja immer mehr zum Problem.“
Dr. Bronson rollt seinen Bürostuhl zu einem
Aktenschrank hinüber und öffnet eine Schublade. Nachdem er einige ordentlich
beschriftete Akten durchgeblättert hat, zieht er die hinaus, auf der Joe Arnos'
Name steht, und reicht sie Marino.
„Bedienen Sie sich“, sagt er.
„Darf ich mich kurz setzen?“
„Ich weiß nicht, warum Polly so lange braucht“,
wundert sich Dr. Bronson und rollt seinen Stuhl zurück zum Mikroskop. „Lassen
Sie sich ruhig Zeit, Pete. Ich kümmere mich wieder um meine Objektträger. Ein
tragischer Fall. Die arme Frau wurde in ihrem Swimmingpool gefunden.“ Er stellt
die Schärfe ein und beugt den Kopf über das Okular. „Und zwar von ihrer zehnjährigen
Tochter. Nun lautet die Frage, ob sie ertrunken oder einem Myokardinfarkt
erlegen ist. Sie litt an Bulimie.“
Marino studiert die Empfehlungsschreiben, welche die
Lehrstuhlinhaber medizinischer Fakultäten und andere Pathologen Joe Arnos
ausgestellt haben. Dann sieht er den fünf Seiten langen Lebenslauf durch.
„Dr. Bronson? Haben Sie je einen dieser Leute
angerufen?“, erkundigt er sich schließlich.
„Warum sollte ich“, antwortet der Pathologe, ohne
aufzublicken. „Keine alten Vernarbungen auf dem Herzen. Wenn sie nach dem
Infarkt noch einige Stunden überlebt hat, könnte ich natürlich auch nichts
dergleichen entdecken. Ich habe nachgefragt, ob sie sich vielleicht kurz zuvor
erbrochen hatte. Das kann den Elektrolytehaushalt nämlich ganz schon durcheinanderbringen.“
„Wegen Joe“, beharrt Marino. „Um sicherzugehen, dass
all diese Stardoktoren ihn auch wirklich kennen.“
„Selbstverständlich kennen sie ihn. Sonst hätten sie
mir doch nicht geschrieben.“
Marino hält einen der Briefe ans Licht und bemerkt
ein Wasserzeichen in Form einer Krone mit einem quer hindurch verlaufenden
Schwert. Als er mit den übrigen Briefen ebenso verfährt, entdeckt er das
identische Wasserzeichen. Die Briefköpfe wirken überzeugend, doch da sie weder
eingeprägt noch erhaben sind, kann man sie
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